Drei Tage nach den russischen Parlamentswahlen reist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation am heutigen Mittwoch nach Moskau. Von Seiten des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft werden Vorstandsmitglied Siegfried Russwurm (Mitglied des Vorstands der Siemens AG), Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms sowie viele mittelständische Unternehmen der Delegation angehören, die sich für eine Produktion in Russland interessieren. Auf dem Programm stehen dazu unter anderem Gespräche mit dem russischen Industrieminister Denis Manturow und dem Minister für wirtschaftliche Entwicklung Alexej Uljukajew.
„Wir begrüßen es sehr, dass der Bundeswirtschaftsminister mit der Reise so kurz nach den Wahlen die Gesprächsfäden in die russische Politik und Wirtschaft wieder aufnimmt“, sagte Russwurm. „Wir erwarten, dass der Besuch zu einer weiteren politischen Entspannung beiträgt und die Position der deutschen Wirtschaft in Russland stärkt.“ Nach zwei Rezessionsjahren in Folge stehe die russische Wirtschaft vor enormen Herausforderungen, so Russwurm. „Wir hoffen, dass die neue Duma einen wirtschaftsfreundlicheren Kurs einschlägt und die Regierung ein verlässliches Umfeld für in- und ausländische Investoren und Unternehmensgründer sicherstellt.“
Pressefoto: Sigmar Gabriel
Zunahme protektionistischer Tendenzen
Laut dem Geschäftsklima-Rating der Weltbank haben sich die Bedingungen für die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen in Russland in den vergangenen Jahren deutlich verbessert: Im sogenannten Doing Business-Report kletterte Russland in den vergangenen fünf Jahren von Platz 123 auf aktuell Platz 51. Dies hat mit dazu beigetragen, dass die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Russland nach einem Rückgang 2014 seit 2015 wieder ansteigen. „Deutsche Unternehmen beobachten zuletzt aber zunehmende staatliche Kontrollen und administrative Hürden“, sagte Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms. „Erst vergangene Woche hat Ministerpräsident Medwedew ein Gesetz unterzeichnet, das faktisch zu einem Ausschluss aller ausländischen Anbieter von staatlichen Aufträgen führen kann. Wir sehen diese protektionistischen Tendenzen mit großer Sorge.“
Der Ost-Ausschuss befürchtet, dass die westlichen Wirtschaftssanktionen weiter zum Anlass genommen werden, die Arbeitsbedingungen für westliche Investoren zu erschweren. „Leidtragender wäre die russische Wirtschaft selbst, die auf Know-how-Transfer und ausländisches Kapital angewiesen ist“, so Harms weiter. „Nationale Abschottung führt zu Innovationsschwäche und Wohlstandsverlusten. Je offener die russische Wirtschaft ist, desto innovativer wird sie sein und nur so wird sie ihre gefährliche Rohstoffabhängigkeit überwinden und einen funktionierenden Mittelstand etablieren können“, sagte der Ost-Ausschuss-Geschäftsführer. „Unsere Unternehmen erwarten von der russischen Politik faire Marktzugangsbedingungen und klare Regeln für die Lokalisierungspolitik. Ausländische Investoren in Russland sollten mit einheimischen Produzenten gleichgestellt werden.“
Mit der Gabriel-Reise verknüpft der Ost-Ausschuss zudem die Hoffnung auf ein stärkeres politisches Tauwetter. Die Rezession in Russland und die gegenseitigen Wirtschaftssanktionen infolge der Russland-Ukraine-Krise haben seit 2013 zu einer Halbierung des Deutsch-Russischen Handels geführt. „Ein baldiger Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen wäre für die Wirtschaft in Europa ein wichtiges Signal. Auch hier hoffen wir nach den Duma-Wahlen auf neue Initiativen“, sagte Harms. „Wir brauchen endlich mehr Dynamik und greifbare Resultate im Minsker Friedensprozess. Weder Russland noch die Ukraine können es sich wirtschaftlich leisten, hier bei der Umsetzung ihrer Aufgaben weiter auf Zeit zu spielen.“
„Mit dem Bundeswirtschaftsminister verbindet uns das Ziel, die Konfliktlinien zu überwinden und an einem gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum unter Einschluss der Ukraine und Russlands zu arbeiten. Der Besuch in Moskau sollte diesem Prozess neuen Schwung geben“, sagte der Ost-Ausschuss-Geschäftsführer.
Hinweis: Anlässlich der Duma-Wahlen hat der Ost-Ausschuss ein Russland-Update mit wesentlichen Zahlen, Daten und Fakten zu den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen zusammengestellt, das Sie auf der Internetseite www.ost-ausschuss.de herunterladen können. Ebenfalls auf unserer Internet-Adresse können sie den kostenlosen Ost-Ausschuss-Newsletter bestellen, der immer zum Monatsbeginn mit aktuellen Berichten und Statistiken verschickt wird. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @OstAusschuss
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ist seit 1952 als gemeinsames Organ der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zentraler Ansprechpartner deutscher Unternehmen für die Märkte Russland, Belarus, Ukraine, Zentralasien, Süd-Kaukasus und Südosteuropa. Er begleitet wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen in den bilateralen Beziehungen mit diesen Ländern und fördert Handel, Investitionen und Dienstleistungstransfers deutscher Unternehmen auf den Märkten der Region.