DMEA 2022 Nachwuchspreis

Halbzeit bei der DMEA 2022 – der zweite Messetag stand ganz im Zeichen des voneinander Lernens: Vom Vorreiter in Sachen Digital Health Israel oder auch der finnischen Botschafterin für Gesundheit und Wohlbefinden. Am späten Nachmittag stand dann der Digital Health Nachwuchs im Mittelpunkt und es wurde der DMEA-Nachwuchspreis verliehen.

Israel hat sein Gesundheitssystem so stark digitalisiert wie kaum ein anderes Land der Welt. Eins zu eins übertragen lässt sich das aber nicht.

Sind deutsche Patientinnen und Patienten tatsächlich „noch nicht bereit“ für digitale Gesundheitsanwendungen? Die Gründerin des Beratungsunternehmens Pamanicor, Nicole Formica-Schiller, bezweifelt das. Und auch Dr. Johannes Wimmer, Internet- und Fernseharzt, weiß anderes zu berichten: Während der Corona-Pandemie seien auf einmal Videosprechstunden möglich geworden, aber ganz allgemein nutzten Patienten jeden erdenklichen Weg, sobald sie erkranken und Informationen brauchen – bis hin zu datentechnisch fragwürdigen Whatsapp-Chats.

Flexibilität gefordert

In Deutschland fehle es also weniger an Willen zu mehr Digitalisierung, sondern an der nötigen Flexibilität, sie tatsächlich zu nutzen, so die einstimmige Meinung der beiden deutschen Experten. Ganz anders ist die Lage in Israel. Das Neun-Millionen-Einwohner-Land hat schon vor mehr als 25 Jahren mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens begonnen und ist für seine agile Startup-Szene bekannt. Warum aber klaffen das deutsche und das israelische System so weit auseinander, und wie kann Deutschland endlich den Durchbruch schaffen – das war das Thema des „German-Israeli dialogue about Digital Health and AI“ („Deutsch-israelischer Dialog über Digitale Gesundheit und KI“) am zweiten Tag der DMEA.

Die Herausforderungen seien im Grunde immer die gleichen, sagte Esti Shelly, Direktorin Digital Health im israelischen Gesundheitsministerium, nämlich wie Ideen raus aus der Diskussion ins Zentrum des Gesundheitssystem gelangen. Die Interoperabilität sei auch in Israel ein großes Thema. Die Regierung arbeite deshalb eng mit der Industrie zusammen, um sicherzustellen, dass die Hersteller auch tatsächlich in der Lage sind, die gewünschten Standards umzusetzen.

Sicherheitsprüfungen und andere Markteintrittsbarrieren

In Deutschland stoßen Anbieter innovativer Produkte hingegen auf eine ganze Reihe von Hürden, wie Eyal Baum, Vize-Präsident Geschäftsentwicklung beim israelischen Startup TytoCare, gerade selbst erfährt. TytoCare ist ein Messgerät, mit dem Laien Herz oder Lunge abhören, Ohren und Rachen untersuchen können. Sind die Ergebnisse auffällig, können sie an den Arzt verschickt und von diesem geprüft werden. In Israel und den USA ist das kleine Gerät schon weit verbreitet, auch Großbritannien, Portugal, Frankreich oder die Türkei haben es schon zugelassen. In Deutschland wird es noch geprüft.

Kickstart für Innovationen

Der deutsche Markt sei einfach schwierig, weil er sehr fragmentiert sei, sagte Baum. In Israel gebe es nur vier große Krankenkassen, die man überzeugen müsse. Zudem sei die Kultur im Umgang mit Wandel und Innovationen sicherlich eine andere, und die Sicherheitsregularien seien in Deutschland besonders stark. Dies sei genau der Punkt, der sich dringend ändern müsse, forderte KI-Expertin Nicole Formica-Schiller. „Es gibt sehr viel Innovation in Deutschland, aber wir brauchen jetzt einen Kickstart.“ Das betreffe insbesondere den Umgang mit Datensicherheit.

Deutschland wolle beim Thema Daten immer zu 110 Prozent auf Sicherheit gehen, sagte Formica-Schiller. „Aber wir sollten uns klar machen, dass wir damit keine Innovationen behindern sollten.“ Andere europäische Länder lebten einen pragmatischen Ansatz längst vor. Niemand solle schludrig mit Daten umgehen, aber einfach mal anfangen und nachsteuern wäre „das Mindset, das wir jetzt brauchen“.

Machine Learning, Künstliche Intelligenz und Bewegung – diese Themen standen beim diesjährigen Nachwuchspreis bei vielen Arbeiten besonders im Fokus. Mit dem DMEA-Nachwuchspreis werden jedes Jahr die besten Bachelor- und Masterarbeiten aus den Bereichen Medizininformatik, E-Health, Gesundheits-IT, Gesundheitsmanagement, Gesundheitsökonomie und Healthcare Management auf der DMEA prämiert.

Bessere Steuerung von Exoskeletten und 3D-Bilder für Wirbelkörper

In der Kategorie Masterarbeit setzte sich Marius Oßwald durch. In seiner Arbeit geht es darum, Bewegungen vorherzusehen, um Exoprothesen steuern zu können. Dafür hat er einen verallgemeinerten Rahmen entwickelt, durch den die Kinematik und neuronale Dynamik der Hand untersucht werden kann. Mithilfe von vier Kameras lassen sich die Bewegungen der Handmuskeln millimetergenau abbilden. Durch diese Technik könnten die Bewegungsabläufe von Prothesen oder Exoskeletten deutlich verbessert werden, so Marius Oßwald. Denn eine Einschränkung der 33 Handmuskeln wirke sich enorm auf die Lebensqualität des Patienten aus. Für diese Arbeit erhielt er auch den Audience Award.

Platz zwei ging an Christian Xu für seine Anwendung „Fimi“, die während eines Workouts Form- und Bewegungskorrekturen anzeigt. Mithilfe einer Webcam, einer App und eines Servers, der die Bewegungsabläufe überwacht, bekommt der Nutzer schon während, aber auch nach der Übung angezeigt, ob die Bewegungsabläufe korrekt durchgeführt wurden. Die App sammelt zudem die Daten, um eine Entwicklung in den Bewegungsabläufen nachverfolgen zu können. Die Idee kam ihm in der Pandemie, als er ohne die Korrekturen eines Trainers seine Sportübungen ausführte. Grundsätzlich sei die Anwendung aber auch für Physiotherapeuten interessant.

Den dritten Platz belegte Sebastian Dörrich. Er hat im Rahmen seiner Masterarbeit zwei Algorithmen entwickelt, durch die Standardebenen von Wirbelkörpern deutlich schneller entwickelt werden können. Medizinerinnen und Mediziner nutzen die axiale, coronale und sagittale Ebene, um im OP 3D-Bilder von Wirbelkörpern entwickeln zu können. Das dauere aktuell etwa 210 Sekunden pro Bild, so Dörrich. Seine Algorithmen schafften dies, je nach Verfahren, in 30bis 60 Sekunden.