20 Jahre Wer wird Millionär Günther Jauch Interview

Happy Birthday: Deutschlands erfolgreichste Quizshow feiert mit „20 Jahre Wer wird Millionär? Das große Jubiläums-Special“ am Montag, 2. September 2019, um 20.15 Uhr bei RTL Geburtstag. Im Interview spricht Günther Jauch über die Kultshow.

Am 3. September 1999 lief die erste WWM-Folge. Haben Sie damals mit dem Erfolg gerechnet?

„Nach der ersten Sendung habe ich gedacht, das wird schwierig. Die Quote war auch nur mittelprächtig. Nach der zweiten Sendung waren wir auch erst völlig deprimiert, da war die Quote unterirdisch. Dazu kam noch eine Zeitungskritik von der Bild am Sonntag: „Den größten Fehler hat aber Günther Jauch gemacht, indem er diese Sendung übernommen hat.“ Und am selben Tag hatte sich die Quote jedoch schon etwas berappelt. Am vierten Tag hatten wir sehr gute Quoten und es war zu sehen, dass irgendetwas passiert mit der Sendung und beim Zuschauer.“

WWM ist die erfolgreichste Quizshow in Deutschland. Was macht den Erfolg aus?

„Das Erfolgsrezept ist das absolut Simple, das sich auf dem Papier im Grunde gruselig liest: Da kommt einer, der setzt sich hin und das ist dann der Kandidat und dann stellt man dem eine Frage. Wenn er die richtig beantwortet, es gibt vier Antworten zur Auswahl, erhält er 50 Euro und für die nächste Frage bekommt er dann doppelt so viel. Am Ende geht das dann hoch bis zu einer Million. Wer das als Sendungsidee erfunden hat, der gehörte ja eigentlich zu der Zeit, als die Engländer das zum ersten Mal probierten in die Wüste geschickt. Aber es ist eines der erfolgreichsten Formate aller Zeiten geworden und findet, glaube ich, heute noch immer in über 70 Ländern der Erde statt.“

Mit neuen Special feiern Sie Erfolge. Wie wichtig sind Erneuerungen für den Erfolg?

„Ich glaube, dass der Erfolg der Sendung auch darin besteht, dass sie ein echter Klassiker ist. Zu einem Klassiker gehört, dass man den Markenkern nicht verändert. Das gilt für Produkte und gleichsam für Fernsehsendungen. Dass man dann mal einen Joker dazu erfindet oder dass man mal an den Schräubchen dreht, um eine Sendung spannender zu machen, indem man erst ab der Frage 10 – wie beim Zocker-Special – überhaupt den ersten Joker nehmen darf. Das ist alles in Ordnung, aber der Markenkern funktioniert weiter, weil uns auch das Design in den letzten 20 Jahren und die Akustik, die auch viel beiträgt, erhalten geblieben sind. Das Wichtigste, das sich jede Woche neu erfinden muss, das sind die Qualität, die Originalität, die Spontanität und der Witz, der in den Fragen steckt. Hierfür gibt es eine Fragenredaktion und die leistet seit vielen, vielen Jahren kontinuierlich eine großartige Arbeit.

Was macht eine gute Frage aus? Was eine schlechte?

„Eine schlechte Frage ist z. B.: Wie viele Schrauben halten einen Golf zusammen: 2.140, 1.350, 826 oder 537? Da ist es eigentlich egal, ob die Antwort 1.350 lautet … Wenn jedoch Schätzfragen kommen wie z. B.: Was hat der Durchschnitts-Deutsche in seinem Leben: 3,7 Freunde, 3,7 Autos, 3,7 Jeans im Schrank oder 3,7 Handyverträge? Dann richte ich mich zuhause von meiner Couch auf und frage mich, kann das sein, dass der Deutsche nur 3,7 Freunde hat? Darüber spricht man und das finde ich interessant. Gute Fragen sind immer originell, spannend oder vom Ergebnis her lustig und überraschend in den Antworten. Und das macht viel aus für die Sendung.“

Was ist für Sie ein „perfekter“ Kandidat?

„Der perfekte Kandidat ist für mich derjenige, der reinkommt und den ich von der Optik, vom Gang, der Kleidung, vor den ersten Antworten in eine Klischeeschublade stecke und denke, das ist ein Langweiler und der antwortet nicht ausführlich. Nach zwei bis drei Fragen merke ich aber, der hat irgendwie etwas. Der Kandidat wird auf einmal selbstironisch, kann sich selbst auf die Schippe nehmen, denkt nach und zeigt im besten Fall Intelligenz. Mit Originalität geht er an eine Frage ran, wird lustig und spielt mit dem Publikum. Solche Leute sind schon mit tosendem Applaus verabschiedet worden. Aber als sie reinkamen, hat man das nicht für möglich gehalten.“

Wie wichtig ist der Faktor Geldgewinn für die Zuschauer und Kandidaten?

„Die Tatsache, dass es in jeder Sendung um eine Million Euro geht, macht schon etwas aus. Mit einem Titel wie z. B.: „Wer wird 10.000 Euro-Gewinner?“ könnte man vom Prinzip her genauso spielen. Der Begriff „Millionär“ ist aber bis heute immer noch sagenumwoben: Wenn man in den fünfziger Jahren gesagt hat, „der ist Millionär“, dann haben alle Leute bewundernd aufgeschaut und genauso ist es auch noch heute, obwohl die Million heute viel weniger wert ist. Geld gewinnen ist schon wichtig. Gleichzeitig ist es auch interessant zu sehen, wie viele Menschen, die bei mir viel gewinnen, oft sagen, dass sie davon etwas spenden oder das Geld eigentlich gar nicht für sich brauchen. Es gibt auch nicht wenige Gewinner, die erstmal ratlos sind und sagen, eigentlich habe ich alles oder das sollen die Enkel bekommen. Solche Antworten zeigen, dass die Leute eigentlich das Geld nicht brauchen. Es gibt aber auch andere, die freuen sich über ihren Gewinn, aber nur kurz, weil sie dann eine Mitteilung des Finanzamtes bekommen, dass es da Steuerschulden gibt und die Aufforderung, den kompletten Gewinn an den Fiskus zu überweisen. Dann gibt es Menschen, denen man es wahnsinnig gönnt, dass sie gewinnen. Wir hatten mal eine Sekretärin (Petra Jahns, Folge 424, 08.10.2004), bei der stapelten sich die Rechnungen, die wusste weder ein noch aus und hat dann bei uns 500.000 Euro gewonnen und dennoch erzählt, sie würde natürlich noch weiterarbeiten.“

Hat sich das Spielverhalten der Kandidaten verändert?

„Der Hang, in der Sendung nicht mehr zu sagen, „ich möchte die Million“, sondern „ich möchte einen Wintergarten, der kostet 16.000 Euro und die Joker, die lege ich mir auf dem Weg dahin so zurecht und wenn ich das Geld habe, dann mache ich den Sack zu und gehe nachhause“, dieses Prinzip hat zugenommen.“

Also spielen die Kandidaten weniger auf Risiko?

„Die großen Hasardeure, die es früher mal gab, die sind tatsächlich seltener geworden. Die Leute haben im Fernsehen gesehen, wie tief man fallen kann und wie gut man es sich überlegen muss, wie risikoreich man spielt. Um ganz nach oben zu kommen, muss man auf Risiko spielen. Wer es sich schön heimelig macht, kann den ganz großen Gewinn eher nicht schaffen.“

Welche Kandidaten sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

„Es sind die, bei denen sich die Emotionen Bahn brechen und die in Tränen ausbrechen oder es nicht fassen können. Auch die, die kurz davor sind, bei 500 Euro auszuscheiden, aber dann auf einmal ganz weit kommen. Es sind die, denen man es nicht zugetraut hätte. Es kommen oft auch Menschen in die Sendung, die sagen, ich kann etwas und bin doch wer, aber die diese Anerkennung nie von ihrem Umfeld bekommen haben. Die zweite Millionärin bei uns, Marlene Grabherr, arbeitslose Hausfrau, hat davon erzählt, dass ihr jede Anerkennung in ihrer Umgebung gefehlt hat. Sie räumt auf einmal eine Million Mark ab und es war ihr ins Gesicht geschrieben, was das für sie jenseits des Geldes bedeutet hat.“

Sie haben seit 1999 noch keine Sendung ausfallen lassen?

„Es ist tatsächlich noch keine Sendung ausgefallen, aber ich war stimmlich manchmal so angeschlagen und schlichtweg heiser, dass es eigentlich eine Zumutung für die Leute war. Da halfen auch diese ganzen Hustentabletten nicht mehr. Ich habe dann die Sendung durchgezogen, aber besser wäre es gewesen, wenn man sich eine Woche ins Bett gelegt hätte.“

Wie lange möchten Sie WWM noch moderieren?

„Schwer zu sagen. Wer mir zu Beginn gesagt hätte, es geht fünf Jahre lang, den hätte ich für verrückt erklärt. Danach erschienen mir auch zehn Jahre eigentlich unmöglich. Als ich fünfzehn hatte, dachte ich, es könnten vielleicht auch zwanzig Jahre werden. Das nächste Jubiläum wäre ja erst in fünf Jahren, dann gehe ich so langsam auf die 70 zu. Das kann ich mir nur schwer vorstellen, aber ich lasse mich einfach überraschen.“

Macht Ihnen die Moderation von WWM immer noch Freude?

„WWM macht mir große Freude und das ist auch eine der drei entscheidenden Bedingungen: Dem Sender muss es gefallen, dem Publikum natürlich und es muss mir Spaß machen. Wenn das alles zusammenkommt, dann machen wir einfach immer weiter.“

Moderator Günther Jauch
Foto: TVNOW / Frank Hempel