Tötungsdelikt in Chemnitz: Inhaftierter bestreitet nach Recherchen des NDR Tatbeteiligung

Mehr als zwei Wochen nachdem Daniel H. in Chemnitz erstochen wurde, werden erstmals Aussagen zum Tathergang bekannt. Nach Recherchen des NDR bestreitet der inhaftierte Yousif A. die Tat. Sein Anwalt hat daher diese Woche Haftprüfung beantragt, wie die Staatsanwaltschaft Chemnitz auf Anfrage bestätigt.

Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft haben bisher nähere Angaben zum Tathergang in Chemnitz gemacht. Der NDR hat nun Kenntnis von zwei Schilderungen des Tatablauf: Zum einen von einem unbeteiligten Augenzeugen und zum anderen die Aussage des inhaftierten Yousif A. Beide Stellungnahmen stimmen weitgehend überein und wecken Zweifel am dringenden Tatverdacht gegen Yousif A., gegen den die Staatsanwaltschaft wegen gemeinschaftlichen Totschlags ermittelt. Allerdings sind die Aussagen aus der Gruppe der Opfer bisher nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass der Anwalt Haftprüfung beantragt habe. Zu den Gründen macht die Behörde keine Angaben.

Der Inhaftierte Yousif A. schildert, dass er und seine Begleiter Farhad A. und Alaa S. an dem Abend der Tat eine Shisha-Bar in Chemnitz besucht haben und gegen 2.30 Uhr morgens zu einem Döner-Imbiss gegangen seien. Alaa S. sitzt inzwischen ebenfalls in Haft, nach dem flüchtigen Farhad A. wird international gesucht.

Unterwegs hätten er, Yousif A., und seine Freunde Farhad A. und Alaa S. eine Gruppe von Männern und Frauen getroffen, darunter Daniel H., das spätere Opfer. Farhad A. sei zu der Gruppe um Daniel H. gegangen, um nach Feuer für eine Zigarette zu fragen. Dabei seien die Männer in Streit geraten. Er, Yousif, habe den Streit geschlichtet. Dann seien beide Gruppen weiter gelaufen.

Aus dem Döner-Imbiss seinen weitere Bekannte gekommen und hätten gefragt, was der Grund des Streits gewesen sei. Daraufhin seien Farhad A. und mehrere der anderen Männer erneut zu der Gruppe von Daniel H. gegangen. Dann sei es zu einer heftigen Auseinandersetzung und der Messerstecherei gekommen. Er selbst, Yousif A., sei daran nicht beteiligt gewesen, sondern habe mehrere Meter abseits gestanden.

So jedenfalls schilderte der Inhaftierte Yousif A. den Tathergang gegenüber dem Leiter der Rechtsabteilung der irakischen Botschaft, Saed Peer Murad. Der Botschafts-Jurist konnte die Angaben von Yousif A. nicht überprüfen, da er die Aussagen der anderen Zeugen nicht kennt.

Ein Zeuge, der das Tatgeschehen unmittelbar beobachtet und seine Aussage bei der Polizei zu Protokoll gegeben hat, schildert gegenüber dem NDR ebenfalls, dass es zum Streit zwischen Farhad A. und Daniel H. gekommen sei. Daraufhin seien Alaa S. und zwei weitere Bekannte aus dem Döner-Imbiss zum Geschehen geeilt und gemeinsam mit Farhad A auf Daniel H. und dessen Bekannte losgegangen. Der Zeuge sagt auch, dass Yousif A. einige Meter abseits gestanden habe.

Yousif A.’s Anwalt, der Berliner Strafverteidiger Ulrich Dost Roxin, will nun die Aufhebung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten beantragen. Die Auswertung der Spurensicherung belege keine Tatbeteiligung seines Mandanten, sagt Dost Roxin. Auch gebe es seiner Ansicht nach keine belastenden Zeugenaussagen. „Keine der im Haftbefehl benannten Beweismittel weist nur im Geringsten auf eine Tatbeteiligung meine Mandanten hin“, sagt der Anwalt gegenüber dem NDR. Der Haftbefehl gegen seinen Mandanten hätte überhaupt nicht ausgestellt werden dürfen. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz, Ingrid Burghart, wollte mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Angaben zu den konkreten Gründen für den Haftbefehl gegen Yousif A. machen.

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