Einen Tag vor dem Davis Cup Halbfinale gegen Russland zeigt sich Michael Kohlmann zuversichtlich. „Auch wenn wir gegen die Nummer zwei und fünf der Welt spielen werden, ist das Erreichen des Halbfinales nicht das, was wir uns auf die Fahne geschrieben haben. Jetzt wollen wir das Ding auch holen“, sagte der Teamchef der deutschen Mannschaft in einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag. Gemeint ist der riesige Davis Cup Pokal, der gerne auch als hässlichste Salatschüssel der Welt bezeichnet wird.
Bis Dienstag hat das deutsche Davis Cup Team in der Olympiahalle von Innsbruck gespielt und dort drei 2:1-Erfolge in Serie erzielt, zunächst gegen Serbien und Österreich in der Gruppenphase und schließlich am Dienstag gegen Großbritannien im Viertelfinale. Nach einem Reisetag am Mittwoch bereiten sich Jan-Lennard Struff, Dominik Koepfer, Peter Gojowczyk, Kevin Krawietz und Tim Pütz seit Donnerstagfrüh auf das schwere Halbfinale gegen Russland vor. Dazu Teamkapitän Michael Kohlmann: „Auch wenn Innsbruck ebenfalls über 500 Meter hoch lag, sind die Bedingungen hier in Madrid ein wenig anders. Die Bälle springen etwas höher und scheinen etwas früher aufzugehen. Aber wir hatten zwei intensive Trainingstage, sind in guter Form und wir sehen keinen Nachteil zu den Teams, die schon länger hier sind.“ Außerdem war es für das Team wichtig, sich auch einmal eine Auszeit zu gönnen, wie Kohlmann verdeutlicht: „Es war gut für uns, drei freie Tage zu haben, um herunterzufahren und sich neu zu fokussieren. Jetzt haben wir den Spannungsbogen wieder aufgebaut und gehen motiviert in die Begegnung gegen Russland.“
Russland ist der einzige Halbfinalist, der schon die Begegnungen der Gruppenphase und das Viertelfinale in Madrid ausgetragen hat. Angeführt wird das Team von Daniil Medvedev und Andrey Rublev, zwei absoluten Weltklassespielern. „Wir sprechen von der Nummer zwei und fünf der Welt – das ist schon eine Aufgabe“, weiß Kohlmann. Aber die Davis Cup Finalrunde 2021 hat gezeigt, dass immer wieder Überraschungen möglich sind, und daran setzt das DTB-Team an. „Unsere Jungs müssen ihre Leistung bringen und das spielen, was sie im Training zeigen. Wenn wir das trotz des Drucks – der sowohl für die Russen als auch für uns da ist – abrufen können, dann bin ich guter Dinge, dass wir unsere Chancen bekommen werden. Ob wir sie dann auch nutzen, werden wir morgen sehen. Wenn es dann tatsächlich 1:1 stehen sollte, werden die Russen auch überlegen, was Sache ist.“
In diesem Falle würden sich alle Augen einmal mehr auf das ungeschlagene Duo Kevin Krawietz und Tim Pütz richten, denen Kohlmann einen weiteren Erfolg zutraut: „Unser Doppel wird nach drei Siegen in Folge beim Stand von 1:1 mit breiter Brust rausgehen. Unsere Aufgabe wird es sein, irgendwo diesen einen Einzelpunkt zu holen. Dass das nicht leicht ist, ist keine Frage. Aber jetzt zu sagen, es war schön bisher und wir freuen uns, dass wir das Halbfinale erreicht haben, wäre der falsche Ansatz.“
Dennoch weiß Kohlmann, dass sein Team nicht in der Favoritenrolle steckt: „Wenn wir die Ranglistenpositionen ansehen, dann sind wir die Außenseiter, das sind die Fakten. Aber wir haben unsere Außenseiterrolle noch nie beim Namen genannt. Die Floskel ‚Ihr habt nichts zu verlieren‘ mag ich nicht, denn wir sind im Halbfinale und haben das zu verlieren. Wir sind bereit und heiß darauf und wollen diesen nächsten Schritt noch machen. Halbfinale ist nicht das, was wir uns auf die Fahne geschrieben haben, sondern wir wollen jetzt auch das Ding holen. In Innsbruck haben wir nur auf Plakaten diese Schüssel gesehen, hier steht sie nun nah am Center Court. Das gibt uns nochmal eine Portion extra Motivation.“
Wer letztlich für Deutschland im Einzel auf Punktejagd gehen wird, steht zwar schon fest, bleibt aber bis eine Stunde vor Spielbeginn noch intern: „Bei uns im Team wissen alle, wer spielt. Aber ich werde es natürlich jetzt nicht verkünden, da bin ich auch zu abergläubisch. Die Entscheidung haben wir hier in den Tagen von Madrid getroffen.“
Zuletzt erreichte das DTB-Team 2007, 1995 und 1994 das Halbfinale des Davis Cups. Bei allen drei Partien hieß der Gegner Russland, und jedes Mal gingen die Russen als Sieger vom Platz. 2007 unterlagen Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber, Alexander Waske und Philipp Petzschner in Moskau mit 2:3. Mit demselben Ergebnis mussten sich Boris Becker, Michael Stich und Bernd Karbacher 1995 ebenfalls in Moskau geschlagen geben. 1994 gewann Russland in Hamburg das Halbfinale, für Deutschland standen damals Michael Stich, Bernd Karbacher und Karsten Braasch auf dem Platz. „Dieser Serie wollen wir morgen ein Ende setzen“, meint Teamchef Kohlmann.
Das Davis Cup Halbfinale zwischen Deutschland und Russland wird am Samstag ab 13.00 Uhr wieder live auf ServusTV übertragen.