Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaf: Verständigung zwischen Deutschland und Russland muss Staatsräson bleiben

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ruft angesichts der aktuellen politischen Turbulenzen zwischen Deutschland und Russland dringend zu einer verbalen Abrüstung und einem konstruktiven Dialog auf: „Derzeit scheint es bei einigen Politikern und Medien einen Überbietungswettbewerb darin zu geben, wer die jeweils andere Seite noch plakativer angreifen kann. Dies ist weder im Interesse von 80 Millionen Deutschen und den über 140 Millionen Bürgern Russlands, noch im Interesse Europas insgesamt“, betont der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Oliver Hermes. Es sei längst unübersehbar, dass die sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten angesammelten politischen Differenzen Menschen auseinandertrieben und den wirtschaftlichen Austausch zwischen der EU und Russland zunehmend lähmten. „Wir befinden uns hier auf dem Weg in eine überaus gefährliche Sackgasse und müssen dringend umsteuern.“

Kein Streit der Welt sei es Wert, die deutsch-russischen Beziehungen zu Grabe zu tragen und auf eine Politik größtmöglicher Abschottung umzuschwenken, so Hermes weiter. „Wir haben vor wenigen Tagen den 30. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung gefeiert, mit der gleichzeitig die Spaltung Europas nach dem von Hitler begonnenen Zweiten Weltkrieg zu Ende ging. Ein Zurück in den Kalten Krieg darf es niemals geben. Eine Verständigung zwischen Russland und Deutschland muss Staatsräson bleiben, für Berlin wie auch für Moskau.“ Der Ost-Ausschuss erwarte deshalb, dass Vertreter beider Länder nicht länger übereinander redeten, sondern sich unter Einbeziehung der EU schnellst möglichst an einen Tisch setzten, um die bestehenden Differenzen Punkt für Punkt zur Sprache bringen. Dazu gehöre auch der aktuelle Fall Nawalny.

„Der Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker ist auf das Äußerste zu verurteilen. Die Hintergründe der Tat müssen aufgeklärt werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“, betonte Hermes. „Wir blicken deshalb mit großer Sorge auf die aktuellen Nachrichten rund um den Fall Nawalny, die das deutsch-russische Verhältnis stark belasten. In der Sache nicht zielführend sind jedoch die jüngst prominent platzierten medialen Aussagen Nawalnys bezüglich der deutsch-russischen Beziehungen und der Rolle unseres ehemaligen Regierungschefs Gerhard Schröder. Pauschale Vor-Verurteilungen und Beleidigungen gegenüber ehemaligen deutschen Politikern ohne jegliche Beweise, bringen uns nicht weiter und sind sicherlich kein Zeichen von Anstand und Respekt gegenüber dem gastgebenden Land. Genauso fehl am Platz sind auch die wiederholt erhobenen Zweifel an den Untersuchungsergebnissen unabhängiger Labore. Deshalb schlagen wir eine gemischte Untersuchungskommission aus deutschen und russischen Vertretern sowie den Experten der OPCW vor, um die Sache transparent aufzuklären. Wir stehen dafür ein, dass Dialog, wissenschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit gerade dann besonders wichtig sind, wenn politische Differenzen dominieren.“

Nach Ansicht des Ost-Ausschusses ist die Aussetzung der EU-Russland-Gipfel und die Einstellung deutsch-russischer Regierungskonsultationen ab 2014 ein Fehler gewesen: „Wir haben seitdem immer weniger Dialog und noch mehr Konflikte“, so Hermes. Die deutsche Wirtschaft versuche deshalb weiter, Brücken zu bauen und einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis zu leisten. Unter anderem beteilige sich der Ost-Ausschuss im Auftrag des Auswärtigen Amtes am geplanten Deutsch-Russischen Jahr für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung. „Wir tun das sehr gerne, um gerade in dieser turbulenten Zeit ein bewusstes Zeichen dafür zu setzen, dass wir gemeinsam viel mehr erreichen können als gegeneinander.“

Eine sehr positive Meldung dieser Tage sei die Einführung eines e-Visums für Bürger aus
52 Ländern einschließlich Deutschlands zum 1. Januar 2021 für das gesamte russische Staatsgebiet. Die sonst üblichen Einladungsschreiben oder Hotelreservierungen entfallen völlig. „Damit wird es nach der Corona-Krise so einfach sein, Russland zu bereisen, wie noch niemals zuvor“, so Hermes. „Die EU sollte dies zum Anlass nehmen, ebenfalls über Reiseerleichterungen für russische Staatsbürger zu geschäftlichen, touristischen oder humanitären Zwecken nachzudenken. Gegenseitige Reisefreiheit – dies wäre ein Riesenschritt in eine friedliche Zukunft.“