Oliver Hermes: Russland bleibt für deutsche Unternehmen ein aussichtsreicher Wachstumsmark

Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes zur wirtschaftlichen Entwicklung in Russland
„Wie viele andere Staaten weltweit kämpft auch Russland derzeit mit den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Der mancherorts zu vernehmende Abgesang auf Russland als wichtigen Wirtschaftspartner Deutschlands ist aus Sicht der deutschen Wirtschaft aber überzogen. Zwar ist die russische Wirtschaft im 2. Quartal eingebrochen. Aber hier befindet sich Russland in „guter Gesellschaft“ mit fast allen anderen Staaten dieser Welt. Der Rückgang des russischen BIP wird 2020 aber voraussichtlich geringer ausfallen als in Deutschland.

Das Wachstum in Russland war in den letzten Jahren zweifellos zu gering. Aber wenn man die gesamte „Ära Putin“ betrachtet, hatte Russland viele Jahre lang Wachstumsraten zwischen 6 und 10 Prozent. Russland ist daher nach Kaufkraftparitäten heute die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, knapp hinter Deutschland. Die Verschuldung des russischen Staates belief sich 2019 zudem nur auf 12,5 Prozent des BIP, und Russland hat die drittgrößten Währungsreserven der Welt. Entsprechend groß sind jetzt auch die Spielräume, auf die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen mit Hilfspaketen für Wirtschaft und Bevölkerung zu reagieren. Wie in allen anderen Ländern bleiben dabei Abstriche bei ursprünglich geplanten Projekten nicht aus. Der angekündigte Privatisierungskurs könnte aber eine neue Dynamik in den russischen Unternehmenssektor bringen.

Zukunftsthemen Digitalisierung, Industrie 4.0 und Energiewirtschaft

Russland bleibt für deutsche Unternehmen ein aussichtsreicher Wachstumsmarkt, gerade bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder dem klimaschonenden Umbau der Energiewirtschaft. Das zweifellos noch bestehende Modernisierungsdefizit in Russland eröffnet ja gleichzeitig die Chance, mit deutscher und europäischer Technologie die Effizienz der russischen Wirtschaft zu steigern.

Schon in den vergangenen Jahren ist die russische Industrie massiv modernisiert worden ist. Besonders im Rahmen der digitalen Transformation sind die Russen vielen westeuropäischen Staaten überlegen. Und der Aufbruch ins nachfossile-Zeitalter öffnet ganz neue Perspektiven für unsere Energiepartnerschaft: Erst kürzlich hat Russland seine Wasserstoffstrategie vorgestellt. Das Land hat die Kapazitäten zur Erzeugung Erneuerbarer Energie, die uns in Mitteleuropa fehlen. Die künftige Nutzung von Pipelines wie Nord-Stream 2 für den Wasserstofftransport zeichnet sich bereits ab.

In Zeiten, in denen auch andere wichtige Wirtschaftspartner Deutschlands mit den gravierenden ökonomischen Folgen der Corona-Krise zu kämpfen haben und Europa den Konflikt zwischen den USA und China zunehmend zu spüren bekommt, sollten wir vor allem die zukünftigen Chancen bei wichtigen Partnern in den Vordergrund rücken-auch im Hinblick auf Russland.“