Ola Afolabi Interview über Kampf mit Huck 27 02 2016

Am kommenden Samstag (27.2.) steigt IBO-Cruisergewichtsweltmeister Ola Afolabi gegen seinen Herausforderer Marco Huck in den Ring. Der Deutsche hatte im August nach 13 erfolgreichen Titelverteidigungen seinen WBO-Titel gegen den Polen Glowacki verloren will mit einem überzeugenden Sieg gegen den Briten wieder in die Weltspitze. RTL überträgt den Kampf ab 22:30 Uhr live und exklusiv aus dem GERRY WEBER STADION in Halle/Westfalen.

In einem ausführlichen RTL-Interview betont der amtierende IBO-Weltmeister Afolabi im Vorfeld des Kampfes u.a. seine psychologischen Vorteile und spricht über seine Zukunftsvorstellungen abseits des Boxrings.

Sie kämpfen nun bereits zum vierten Mal gegen Marco Huck. Was hat sich nach den ersten drei Kämpfen verändert?
„Es ist super, als Champion in den Ring zu steigen und nicht als der Herausforderer. Ich fühle, dass ich auf einem guten Weg bin: Ich habe meinen letzten Kampf gewonnen, ich habe den Titel gewonnen.  Auf Marco Huck lastet viel Druck. Er hat den letzten Kampf verloren – durch K.O. Ich denke, dass ich sowohl mentale als auch körperliche Vorteile für den nächsten Kampf mitbringe.“

Huck Afolabi - Foto

Wie würden Sie Marco Huck als Boxer beschreiben?

„Hart, aggressiv und er ist gut in Form. Er ist nicht der ruhigste Boxer, aber er bekommt es so hin. Er ist ein harter Kerl.“

Ist es für Sie schwierig, in Deutschland zu kämpfen – sozusagen in Marco Hucks „Wohnzimmer“?

„Ich befinde mich nun an einem Punkt in meiner Karriere, an dem dies keine Rolle mehr spielt. Es ist einfach nur ein weiterer Kampf für mich. Aber es sagt viel mehr über ihn aus: Seinen letzten Kampf hat er außerhalb von Deutschland bestritten und wurde direkt ausgeknockt. Jetzt geht er direkt wieder zurück nach Deutschland. Das sagt sehr viel über ihn aus – vor allem mental. Aber das kann mir egal sein: Ich komme nach Deutschland und werde es ihm zeigen.“

Wie viel tragen die Trainer zum boxerischen Erfolg bei?

„Auf diesem Karrierelevel, das wir mittlerweile haben, kann man uns nichts Neues mehr beibringen. Man kann das verbessern, was wir haben. Wir werden denselben Kampfstil haben, allerdings leicht verbessert. Mein alter Trainer Fritz Sdunek hat mir Disziplin beigebracht. Ich bin eigentlich recht faul, aber da war er null tolerant. Er hat mir beigebracht, konzentriert zu sein. Ich habe den Vorteil gesehen, diszipliniert und konzentriert zu sein. Ich nehme diese Disziplin nun in jeden Kampf mithinein.“

Was erwarten Sie vom Kampf?

„Marco Huck wird an den Dingen gearbeitet haben, die ihm sein Trainer gesagt hat. Aber alte Gewohnheiten lassen sich schwer überwinden. Wenn der Kampf hart wird, werden wir zu unserem alten, natürlichen Stil zurückkehren. Und es wird ein harter Kampf werden. Er muss den deutschen Fans viel beweisen! Der Kampf findet schließlich unter dem Motto „Huck – Reloaded!“ statt. Er kommt, aber ich werde bereit sein. Mein oberstes Ziel ist es, ihn auszuknocken. Ich schlage fester zu, ich trainiere härter. Ich bin in einer besseren Situation als je zuvor und er hat seinen letzten Kampf verloren – durch K.O. Egal, wie hart er versucht so zu tun, als ob er nicht daran denkt – er denkt daran. Das ist die menschliche Natur.“

Wie kamen Sie eigentlich auf Ihren Ringnamen Kryptonite?

„Das war ein Scherz, der aus meiner Kindheit stammt. Das ist eine lange, schwierige Geschichte (lacht.) Aber wenn ich es mit Superman aufnehmen kann, dann kann ich es mit jedem aufnehmen! Dafür steht der Name.“

Was möchten Sie nach dem Boxen machen?

„Ich werde mir Eigentum zulegen und werde machen, was ich möchte: mich mit Freunden treffen, wann ich möchte, zum Strand gehen, wann ich möchte. Ich denke, ich werde dann hart genug gearbeitet haben, um zu tun, was ich tun möchte.“

Was passiert, wenn Sie diesen Kampf gewinnen?

„Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich denke nicht daran zu verlieren. Ich denke eher „Wenn ich diesen Kampf gewinne, dann kann ich mir beim nächsten Kampf ein weiteres Haus kaufen.“ Ich denke an die Zukunft. Ich arbeite jetzt hart, damit ich später nicht mehr hart arbeiten muss.“

…und wenn Sie verlieren?

„Bisher habe ich noch nie durch einen Knockout verloren. Bei einem Knockout würde ich wahrscheinlich zu keinem weiteren Kampf mehr antreten. Das würde mein Ego nicht verkraften. Ich bin jetzt 35 und wenn es jetzt passieren sollte, wäre es ein guter Zeitpunkt aufzuhören. Aber davon gehe ich nicht aus!“

Welche Bedeutung haben Ihre Tattoos?

„Ich habe die Namen meiner Mutter und meines Vaters tätowieren lassen und Engel. Ich bin in einer sehr religiösen Familie aufgewachsen. Ich bin nicht mehr religiös, aber es ist immer noch ein Teil von mir. Ich würde sie mir nicht entfernen lassen. All dies hat mich dorthin gebracht hat, wo ich heute bin.“

Wie steht es um Ihre eigene Familie?

„Ich habe keine: keine Kinder, keine Frau, keine Freundin. Der Boxsport ist meine Freundin. Wenn ich aufhöre – sagen wir mal grob mit 37 oder 38, was im Vergleich zu anderen wirklich früh ist, die sonst mit 65 in Rente gehen – kann ich immer noch nach einer Frau suchen. Ich habe dann immer noch gut 30 Jahre (lacht).“

Sie pokern gerne…

„Ja, Pokern ist ein bisschen wie Boxen. Ist der Gegner am Bluffen, wer hat die besseren Karten auf der Hand? Schachspielen hat auch viel mit Strategie zu tun. Aber da braucht man viel Geduld. Ich bin kein geduldiger Mensch. Es kann Tage dauern, bis jemand einen Zug spielt. Beim Pokern hat man nur 30 Sekunden. Das geht schneller und macht Spaß.“

Afolabi

Kurzportrait Olawale Afolabi

Geburtstag:   15. März 1980
Geburtsort:   London, Großbritannien
Nationalität:   Britisch
Wohnort:   Los Angeles
Größe:   1,91 Meter
Profidebüt:   14. Februar 2002
Kämpfe:   22 Siege; 11 KOs; 4 Niederlagen; 4 Unentschieden
Auslage:   Normal
Trainer:   Rudy Hernandez
Manager:  Tom Loeffler

Erfolge:  2009/2012  WBO-Interims-Champion
2013  IBO-Weltmeister
seit 2015  IBO-Weltmeister

Ola Afolabi wurde am 15. März 1980 in London geboren. Afolabi ist nigerianischer Abstammung und verbrachte seine Kindheit abwechselnd in Afrika oder auf den Straßen der englischen Hauptstadt. „Ich war ein Problemkind, ein richtiger Troublemaker, alles was illegal war, machte ich. Ich schlug mich in Gangs durch und als ich das erste Mal Alkohol trank, bin ich völlig ausgerastet. Ohne das Boxen wäre ich heute im Knast oder tot“, sagt er heute über sich selbst. Nachdem Afolabi vier Jahre auf der Straße gelebt hatte, lag seine Mutter im Sterben und bat ihn, sich zu ändern: „Junge wir haben dich nicht auf die Welt gebracht, dass du dich auf der Straße rumtreibst und immer mit dem Gesetz in Konflikt bist – ändere dich!“
Afolabi entschied sich, nach Los Angeles zu gehen, um dort bei seinem Bruder ein neues Leben anzufangen. „Eigentlich wollte ich nur einige Monate bleiben, aber als dann meine Mutter gestorben ist, wollte ich nicht mehr zurück nach England.“
Nach wenigen Monaten verstritt sich Afolabi mit seinem älteren Bruder und er warf ihn raus. „Ich stand wieder ohne Geld auf der Straße. Ich erinnere mich noch, ich bin nachts immer in ein Tickethäuschen eines Kinos eingebrochen. Dort hatten sie einen kleinen Ofen und ich konnte gut schlafen. Einige Wochen später hat mich mein Vater mit etwas Geld unterstützt und ich konnte in einem Hostel übernachten“, so Afolabi. Später arbeitete Afolabi am Empfang dieses Hostels, als Gegenleistung wohnte er dort.
Außerdem legte er Platten in einem illegalen Stripclub auf und verdiente so bis zu 100 Dollar am Abend. „Als ich zum ersten Mal das heutige Wild Card Gym betrat, hatte ich keinen besonderen Grund, ich wollte mich einfach nur etwas ablenken und etwas trainieren. Ich fragte Freddy Roach (Besitzer und heutiger Erfolgstrainer), ob ich die Fenster und Spiegel reinigen könnte. Roach willigte ein und zahlte mir 50 Dollar pro Woche. „50 Dollar sind eine Menge, wenn man sich nur von japanischen Instant-Nudeln ernährt“, sagte Afolabi. Nach über sechs Trainingsmonaten im Gym wurden Trainer und Manager im Wild Card Gym auf den Londoner aufmerksam. „Ich war immer fleißig und es inspirierte mich auch, Leuten wie James Toney zuzuschauen. Eines Tages war es dann soweit und ich sparrte mit ihm. Ich stellte mich gar nicht so schlecht an, das meinte auch ein anwesender Manager und bot mir einen Vertrag an. Ich bekam 600 Dollar im Monat und ein Zimmer wo ich bleiben konnte“, berichtet Afolabi stolz. „Ich musste nicht mehr dauernd diese Nudeln essen und wurde endlich einmal für etwas was ich gut gemacht hatte belohnt.“
Afolabi wurde im Alter von knapp 22 Jahren Profi ohne einen einzigen Amateurkampf.  „Als ich den Vertrag unterschrieb, ganz ehrlich, es war für mich wie eine Freikarte aus dem Knast in den ich früher oder später gekommen wäre. Ich wusste zwar nicht, wohin mich das Boxen bringen würde, aber ich hatte ein Auskommen und konnte sogar etwas Geld zurücklegen. Und als ich dann auch noch einige Kämpfe gewann, glaubte ich an mich. Ich glaubte an eine Boxkarriere.“
Afolabi trainierte im Wild Card Gym mit den richtigen Vorbildern und hatte durch Fleiß und Disziplin zum ersten Mal sein Leben dem Boxen untergeordnet.
„Ich war jung und durch diesen Vertrag fuhr ich nach Las Vegas und mir gab plötzlich jemand 2000 Dollar, damit ich einen anderen boxe – das war beachtlich. In London wäre ich deshalb in den Bau gegangen und hier zahlt noch jemand dafür. Unglaublich, das war wirklich eine wahnsinnige Menge Geld und gegen Orlin Norris bekam ich sogar 6000 Dollar für nur einen einzigen Kampf, das ist unglaublich“, erinnert sich der heutige IBO-Weltmeister.
Auch nach so vielen Jahren im Profigeschäft, sagt Ola Afolabi, erkenne er sich nicht wieder. Manchmal versuche er, sein Leben von außen zu betrachten, und was er dabei sehe, lasse ihn staunen. „Ich sehe dann einen gereiften Mann mit einer Arbeitseinstellung, die früher unmöglich gewesen wäre. Ich sehe einen Menschen, der in der Lage ist, sich Ziele zu stecken und sie zu erreichen“, sagt er. Dass dieser Mensch er selbst ist, überrascht ihn.
Afolabi ist kein Modellathlet wie die Klitschkos, er ist ein Lebemann, der Frauen ebenso schwer widerstehen kann wie sein Vater, der ihm rund 60 Geschwister beschert hat, „genau weiß ich es nicht“. Er macht auch kein Geheimnis daraus, dass der Antrieb für sein Tun das Geld ist. „Ich weiß doch, dass es überall auf der Welt viel bessere Kämpfer gibt als mich, die aber viel weniger verdienen. Deshalb boxe ich dort, wo das meiste Geld für mich zu holen ist“, sagte er kürzlich.
Außerhalb des Boxrings ist Afolabi ein Fan von Motorrädern und schnellen Autos, an denen er in seiner Freizeit bastelt.