Interview über richtige Abnehmmethode mit Jenke von Wilmsdorff

Mehr als die Hälfte aller Deutschen ist übergewichtig. Jeder Dritte will abnehmen. Diätangebote gibt es reichlich. Trotzdem steigt die Zahl der Übergewichtigen seit Jahren weiter. Nach der erfolgreichen Premiere von „Jenke macht Mut“ mit dem Schwerpunktthema Brustkrebs, für die der engagierte Reporter und sein Team jetzt mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ ausgezeichnet wurden, hinterfragt Jenke von Wilmsdorff diesmal, warum die Welt immer dicker wird und ob es DIE richtige Abnehmmethode gibt.

In der zweistündigen Reportage spricht er mit Ärzten, Experten und Wissenschaftlern weltweit, trifft auf teils bizarre Diät-Methoden, und begleitet zwei stark übergewichtige Frauen bei ihrer letzten Hoffnung auf Gewichtsreduktion.

Interview über richtige Abnehmmethode mit Jenke von Wilmsdorff

Nicht nur in Deutschland herrscht ein erbitterter Kampf gegen das Übergewicht. In den USA ist das Problem bereits größer. Dort ist es noch einfacher und billiger, an große Mengen Fertigessen zu kommen. Bei Burger King gibt es z.B. 150 Chicken Nuggets für umgerechnet 13,- EUR.

In der zweiten „Jenke macht Mut“-Reportage beschäftigen Sie sich mit dem Thema Übergewicht und Diäten. Was war der Auslöser dafür?
In Deutschland sind, laut der ‚Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland‘, derzeit 67,1 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen übergewichtig. Knapp ein Viertel der Deutschen sind demnach sogar fettsüchtig bzw. adipös mit einem BMI größer als 30. Die WHO schätzt, dass sich Europa insgesamt auf eine massive Fettleibigkeits-Krise zubewegt. Unsere Recherchen haben ergeben, dass Übergewicht damit eines der dringlichsten Gesundheitsprobleme der Gegenwart ist. Wir wollen mit dieser Reportage daher vor allem aufklären und auch Hoffnung machen. Führende Experten erklären unterschiedliche Methoden und teilen ihre Erkenntnisse, wie man dem Übergewicht begegnen und, bevor der Teufelskreis greift, bereits vorbeugen kann.

Viele Diäten enden für die Betroffenen mit dem gefürchteten JoJo-Effekt. Gibt es nach Ihren Recherchen DIE optimale Diät?
Klassische Diäten helfen, laut der Experten und Wissenschaftler, mit denen wir gesprochen haben, nur kurzfristig. Nach dem künstlichen Entzug ist der Körper sozusagen in Alarmbereitschaft und speichert erst recht alles, was er bekommen kann. Am Ende nimmt der Betroffene meist noch mehr zu und ist entsprechend frustrierter. Nachhaltig wirkt demnach nur eine grundsätzliche Änderung des Lebensstils. Also nachhaltig anders essen, Sport treiben und Essen eben nicht als Belohnungsprinzip oder Frust-Killer einsetzen. Abnehmen fängt im Kopf an.

Übergewichtige leiden auch unter Häme ihrer Mitmenschen, nach dem Motto: Selbst schuld! Wie bewerten Sie das nach den Dreharbeiten?
Statt Übergewichtige mit Häme zu überziehen, sollten wir sie viel mehr unterstützen, denn Übergewicht kann sehr unterschiedliche Gründe und Auslöser haben. Die Frage nach der Schuld trifft es daher überhaupt nicht. Wir haben bei unseren Recherchen keinen übergewichtigen Mitmenschen getroffen, der glücklich über seine Kilos war und da fängt der Teufelskreis oft an. Aus Frust trösten sich übergewichtige Menschen teilweise mit noch mehr Essen. Andere sind von Kindheit an dick, da sie schon von zu Hause aus falsch ernährt wurden. Einige haben sich in schwierigen Lebensphasen Kummerspeck angefuttert und kommen davon nicht mehr runter. Leider ist es viel leichter zu zusätzlichen Kilos zu kommen, als diese wieder loszuwerden.

Was war für Sie die wichtigste Erkenntnis aus der Reportage?
Ich habe in den letzten Monaten so viele Erkenntnisse gewonnen. Wie verantwortlich, zum Beispiel, die Lebensmittelindustrie an dem weltweiten Übergewichtsproblem ist oder dass die üblichen Diäten eigentlich nur dick machen. Und trotzdem gibt es zu jeder Jahreszeit eine neue „Wunder-Diät“ und der Lebensmittelindustrie traut sich auch niemand Paroli zu bieten. Wer auf Dauer Gewicht verlieren will, der kommt nicht darum herum, seine Ernährungsgewohnheiten dauerhaft zu ändern und sich mehr zu bewegen. Das klingt erstmal verschreckend und nach viel Arbeit, hat man sich dann aber einmal umgewöhnt, will man das vorherige Leben nicht mehr zurück. Alle Betroffenen, mit denen ich sprach, fühlten sich mit weniger Körperballast sehr viel wohler und bereuten, nicht viel früher den inneren Schweinehund verjagt zu haben.

Was hat Sie am meisten bei den Dreharbeiten bewegt?
Wie sehr und wie lange die Frauen aus meiner Reportage unter ihrem starkem Übergewicht litten, wie sehr sie sich schämten und schließlich eine Art Doppelleben führten – im wahrsten Sinne des Wortes. Wer schon als Kind übergewichtig ist, hat denkbar schlechte Karten: Mobbing, Spott und Ausgrenzung, treten oft die Gefühlslawine los, gegen die dann ein Leben lang angefuttert wird. Fühlen sich die Betroffenen schlecht, trösten sie sich mit noch mehr Essen, nur um sich danach noch schlechter zu fühlen. Doch die gute Nachricht ist: Dieser Kreislauf kann durchbrochen werden, auch darum geht es in meiner Reportage.

Ihr Kumpel und Kameramann „Corny“ hat während der Dreharbeiten eher per Zufall den Befund bekommen, dass er selbst adipös ist und sich für Intervallfasten entschieden. Wie haben Sie ihm beim Dreh zur Seite stehen können?
Ich musste ihm nicht zur Seite stehen, weil er all die wichtigen Informationen ja aus erster Hand mitbekam. Je öfter er in den Interviews erfuhr, wie gesundheitsgefährdend Übergewicht ist und je häufiger er mit seiner Kamera Zeuge wurde, wie sehr adipöse Menschen unter ihrem Gewicht leiden, desto stärker wurde sein Entschluss, seine Essgewohnheiten zu verändern. Und wenn er dann doch mal schwach wurde und in alte Muster verfiel, habe ich versucht, ihn zu ermutigen und ihn stolz zu machen, auf das bereits verlorene Gewicht.

Viele Verbraucherschützer und auch „Foodwatch“ fordern eine „Ampelkennzeichnung“ auf Lebensmittelverpackungen, um so den Zucker-, Salz- und Fettanteil schnell zu erfassen. Was halten Sie davon?
Ich bin ein großer Befürworter der Lebensmittelampel. Nur sie verschafft uns Verbrauchern einen schnellen und leicht verständlichen Überblick über den Ernährungswert eines Lebensmittels. Steht die Ampel auf Grün, habe ich ein vergleichsweise gesundes Lebensmittel vor mir, steht die Ampel auf Rot, sollte ich das Zeug nicht oder nur sehr selten essen. Gelb bedeutet – wie im Straßenverkehr auch – kann man mal machen, sollte aber nicht zur Regel werden. Schauen Sie sich doch mal die Zutaten-Listen an! Wer blickt denn da noch durch! Zu viele und zu verwirrende Informationen im Umfang einer Kurzgeschichte, sollen den Verbraucher wohl eher davon abhalten, sich zu informieren. Die Lebensmittelampel vermittelt auf den ersten Blick, was Sache ist.

Sie sehen top fit und schlank aus. Was tun Sie dafür?
Topfit ist vielleicht ein wenig übertrieben (lacht). Ich versuche, auf meinen Körper zu achten, ihn einigermaßen ausgewogen zu ernähren und ihn zu bewegen. Ich mache unregelmäßig Sport und kümmere mich besonders um meine Psyche, denn sie ist die Quelle der Kraft.

Sie haben sich für ein „Jenke-Experiment“ einmal u.a. mit Fast Food ins Übergewichtig gegessen. Was haben Sie für sich an Erkenntnissen daraus gewonnen?
Ich hatte bei dem Experiment nicht nur Fast Food gegessen. Ich aß all das, worauf ich Lust hatte und wann immer ich es wollte. Tortellini mit Sahnesoße um Mitternacht? Was für eine herrliche Vorstellung damals für mich. Kuchen und Süßes rund um die Uhr? Wer träumt nicht manchmal davon! Und nach exakt diesem Lustprinzip hatte ich mich vier Wochen lang ernährt. Doch die Ernüchterung kam schneller als gedacht. Schon nach wenigen Tagen wurde ich kurzatmig und behäbig. Ich konnte beobachten wie schnell sich mein Körper verändert, innerlich wie äußerlich. Und bereits nach vier Wochen hatte ich schlechte Blutwerte und erste Verfettungsanzeichen meiner inneren Organe. Jetzt rechnen wir das mal hoch auf ein langjähriges Übergewicht und die Erkenntnisse dürften wohl jedem klar sein.

Im Januar 2019 wurden Sie und Ihr Team mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Infotainment für die Reportagen „Jenke macht Mut – Leben mit Brustkrebs“, „Das Jenke-Experiment – Rauchen“, „Jenke über Leben“ ausgezeichnet. Welche Bedeutung hat eine solche Ehrung für Sie?
Den Deutschen Fernsehpreis gleich für drei Formate verliehen zu bekommen, ist außergewöhnlich und dementsprechend groß sind die Freude und der Stolz bei meinem Team und mir! Eine solche brancheninterne Anerkennung ist Balsam für die Eitelkeit, die uns alle vereint. Auch, wenn das niemand zugeben mag.

20:15 Uhr: Jenke macht Mut – Der schwere Kampf gegen die Kilos
Foto: TVNOW