Fußball EM 2021 Deutschland Kommentar Bierhoff

Eigentlich wäre er an diesem Freitag im EM-Mannschaftsquartier in Herzogenaurach in Vorbereitung auf das erste EM-Spiel der Nationalmannschaft. Und am Abend würde er sich das Eröffnungsspiel des Turniers anschauen, Italien vs. Türkei. Eigentlich! Stattdessen spricht der DFB-Direktor Oliver Bierhoff an diesem Freitagmittag aus dem Homeoffice mit der RTL/ntv-Redaktion – Corona lässt grüßen.

Im Interview lobt der 52-Jährige besonders Leon Goretzka und Kai Havertz, dämpft die Hoffnungen auf ein Comeback von Thomas Müller in der Nationalmannschaft und spekuliert über Länderspiele schon im Herbst mit Zuschauern.

Oliver Bierhoff…

… über die Hoffnung auf Länderspiele ab September:
„Wir haben eine eigene Gruppe, die sich mit der Wiederaufnahme der Länderspiele beschäftigt. Wir gehen weiterhin davon aus, das ist unsere Information, dass wir im September unsere Länderspiele haben. Wir werden auch wahrscheinlich dann die zwei verpassten Länderspiele aus dem März nachholen, was natürlich auch für die UEFA wichtig ist, weil das auch die Play-Offs sind für die Mannschaften, die sich noch über die Play-Offs für die EM qualifizieren können. Also wir arbeiten, tun alles daran, auch mit unseren medizinischen Konzepten, mit den Voraussetzungen, die wir in Deutschland schaffen wollen, dass wir Länderspiele im September haben.“

… über die Chancen, die sich aus der EM-Absage ergeben: „Man weiß es nie. Es war zumindest nicht schädlich. Wir hätten natürlich spielen wollen, hätten uns auch entsprechend vorbereiten können. Aber wir haben natürlich, wenn die Länderspiele im Herbst stattfinden können, doch noch ein bisschen Zeit, eine Mannschaft zu finden und diesen jungen Spielern ein bisschen mehr internationale Erfahrung zu geben.“

… über Spieler, die sich seit dem Re-Start besonders empfohlen haben für die Nationalmannschaft: „Erfreulich sind natürlich Leon Goretzka oder ein Kai Havertz, wie diese Pause fast genutzt haben, um sich noch einmal zu sammeln, Kraft zu tanken, um wirklich jetzt mit tollen Leistungen, Toren und wichtigen Spielen nachzukommen. Aber an sich darf man keinen besonders herausnehmen, da haben sich alle tapfer geschlagen.“

… über ein mögliches Comeback älterer Spieler wie z. B. Thomas Müller auf ein Comeback in der DFB-Elf: „ Natürlich hat jeder immer eine Chance bis zur letzten Sekunde. Wir haben ja häufig gezeigt, dass die Trainer dann doch immer noch irgendetwas aus dem Hut zaubern. Natürlich ist die Leistung des Spielers wichtig. Und wenn jemand über längere Zeit eine gute Leistung bringt, sieht das ja auch der Bundestrainer. Hier in dem speziellen Fall ist es ja so: das sind verdiente Spieler, man will da auch nicht mal hü und hott sagen und man will auf der anderen Seite auch den eingeschlagenen Weg mit den jungen Spielern weitergehen, was einfach auch bedeutet, dass man ihnen Zeit geben und sie nicht immer wiederbremsen muss. Insofern gehe ich davon aus, dass dieser Weg auch weiter verfolgt wird.“

… über die Hoffnung auf baldige Länderspiele mit Fans: „Vor 3-4 Wochen hätte ich gesagt, sehr unrealistisch, weil wir gesehen haben, welche strengen Maßnahmen wir ergriffen haben. Und es war gut, dass sich der Fußball auch an diese strengen Maßnahmen gehalten hat. Das ist eigentlich auch unsere Devise. Wir wollen weiterhin keine Ausnahme haben, wir wollen mit gutem Beispiel voran gehen. Aber man sieht ja die letzten Entwicklungen, die manchmal auch schnell gehen. Wenn sich da eine Öffnung zeigt, sind wir natürlich auch diejenigen, die das gerne mitnehmen und versuchen, das verantwortungsvoll mitzugestalten. Insofern: Für mich wäre es schon ein Anreiz, neben der Einführung des Fußballs ohne Zuschauer die Einführung des Fußballs wieder mit Zuschauern aktiv mit unserem Team aus der Orga und der medizinischen Abteilung zu gestalten.“

.. über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise durch den DFB: „Das trifft uns natürlich wie alle Vereine, Unternehmen oder auch Privatleute schon heftig. Wir können das noch nicht ganz abschätzen, weil es natürlich extrem davon abhängt, ob wir Länderspiele im Herbst haben, ob wir dort Gelder generieren können aus den Zuschauereinnahmen, aus den Fernseheinnahmen vor allen Dingen, aus der Zentralvermarktung. Es wird uns auf alle Fälle treffen. Wir haben glücklicherweise gut gehaushaltet in den Jahren vorab, so dass wir natürlich auch ein paar Reserven haben. Aber die halten nicht ewig. Wir sind trotzdem gut aufgestellt und nicht bin zuversichtlich, dass wir auch als Verband gut durch die Krise kommen.“

… über seine Sicht auf die Diskussion um Gehalts-Obergrenzen: „Auf jeden Fall haben wir gemerkt, dass wir alle etwas ändern wollen, können und müssen. Dazu ist ja auch eine Krise gut, ein paar Dinge zu überdenken, die in der letzten Zeit vielleicht ein bisschen ausgeufert sind. Ob das in einer Gehaltsobergrenze enden wird, ist für mich fraglich unter europäischem Recht. Aber ich glaube, wir müssen uns gemeinschaftlich in Europa auch mit der UEFA und mit den großen Vereinen hinsetzen und überlegen, wie können wir eigentlich einen interessanten, fairen Wettbewerb gestalkten. Und dazu gehören natürlich solche finanziellen Vorgaben und Kontrollen, die wir teilweise auch in anderen Sportarten kennen.“

… über Lehren aus der Corona-Krise: „Wir haben auf jeden Fall gesehen, wie uns das Spiel fehlt, sind uns aber auch bewusst geworden, dass diese Gunst und die Unterstützung der Fans nicht selbstverständlich ist, sondern dass wir uns im Fußball immer wieder darum bemühen müssen. Wir sehen aber auch, dass wir es als Land wieder einmal geschafft haben, aus einer solchen Krise eine Lösung zu kreieren, mit der alle gut leben können. Ich glaube auch, dass es mit Sicherheit auch eine gewisse wirtschaftliche Bereinigung gibt. Viele Vereine sind jetzt erstmal auf die Bremse getreten. Was ein bisschen ausgeufert ist, können wir jetzt wieder ein bisschen einfangen und in ruhigere Gewässer bringen.“

Quelle: RTL/ntv-Redaktion