Der Hybrid-Arbeitszyklus. Ein bekannter Begriff in den Ingenieursbüros der Formel 1. Außerhalb davon fällt er jedoch nicht besonders häufig im Fahrerlager. Mit der Einführung der Formel 1 Hybrid Power Units in der Saison 2014 hielten die MGU-H, MGU-K und ERS ins F1-Lexikon Einzug. Doch „Hybrid-Arbeitszyklus“ wurde beim Comeback der Turbo-Power im Feld kein Teil des Standardvokabulars.
Das Basisprinzip hinter dem Hybridsystem ist es, das volle Potential der Energie, die durch den Sprit zur Verfügung steht, zu nutzen. Gleichzeitig wird Energie von der MGU-H und der MGU-K gesammelt, um das Auto so schnell und effizient wie möglich um die Strecke zu bewegen. Jedes Team steht vor der Aufgabe, dieses Zusammenspiel auf jeder Strecke zu optimieren. So kann das Auto die gesammelte Energie so lange wie möglich auf einer Runde einsetzen und zugleich die maximale Leistung vom Verbrennungsmotor (ICE) nutzen.
Die Charakteristik einer Runde variiert jedoch stark von Strecke zu Strecke. Die Streckenlänge und der Streckenverlauf, die Anzahl von langsamen und schnellen Kurven, die Höhenlage und Höhenunterschiede, die Fahrstile und der Zustand der Reifen… all diese Fakten haben Einfluss darauf, wie die Hybrid-Energie gewonnen und eingesetzt wird. Das ist mit dem Hybrid-Arbeitszyklus gemeint – wie das Auto die Energie effizient im ERS und Verbrennungsmotor einsetzt.
Das ERS besteht aus den beiden Motorgeneratoreinheiten – der MGU-K und der MGU-H – sowie dem Energiespeicher und der Kontrollelektronik. Die Fahrer dürfen maximal 2 Megajoule Energie pro Runde über die MGU-K speichern. Dieser Vorgang wird durch von der FIA homologierte Sensoren gemessen, wenn die Energie in den Batterien gespeichert wird. Energie darf auch über die MGU-H (Wärmeenergie aus dem Verbrennungsmotor, die sonst verpuffen würde) gewonnen werden. Auf einer Runde dürfen maximal 4 Megajoule an Energie aus der Batterie an die Hinterräder abgegeben werden – das bedeutet 161 zusätzliche PS für ungefähr 33 Sekunden pro Runde.
Während die Fahrer auf jeder Strecke die gleiche Menge an Energie zurückgewinnen dürfen, besitzt jeder Kurs unterschiedliche Leistungs-Befindlichkeiten, Benzinverbräuche und Speichermöglichkeiten. Auf längeren Strecken wie Spa oder Baku lässt sich die nötige Energie vergleichsweise einfach zurückgewinnen. Auf kürzeren Strecke kann es viel schwieriger sein, das volle Potential zu sammeln. Dann müssen die Teams noch eine Schippe drauflegen und härter an der Effizienz ihres Hybrid-Arbeitszyklus arbeiten.
Das nächste Rennen in Spielberg stellt in dieser Hinsicht eine der härtesten Herausforderungen im F1-Kalender dar. Mit nur 4,309 Kilometern Länge ist die österreichische Strecke sehr kurz, gleichzeitig wird hier sehr viel ERS genutzt. Es ist eine Power-Strecke mit einer geringen Anzahl an Kurven, mehreren Geraden sowie Beschleunigungs- und Bremsstellen. Dieser Streckenverlauf erhöht den Benzinverbrauch. Aber die größte Herausforderung ist es, das Sammeln und Einsetzen der Energie im Hybrid-Energiesystem bestmöglich auszunutzen.
In Spielberg müssen die Fahrer bei jeder Gelegenheit Energie sammeln. Aber sie setzen diese auch genauso regelmäßig ein. Eine Runde dauert 68 Sekunden und 33,3 Sekunden davon dürfen sie die Extraleistung einsetzen – das sind beinahe 50% der Runde. Aber nur, wenn sie es richtig machen. Dank des neuen Reglements für die Saison 2017 dürften die Rundenzeiten noch einmal sinken, wodurch dieser Anteil noch einmal steigen wird.
Im Kampf auf der Strecke kann der richtige Umgang damit den Unterschied ausmachen, wenn man angreift oder sich verteidigen muss. Besonders der erste Sektor mit seinem langen Anstieg zu Kurve 3 ist ein Bereich, in dem der Fahrer sicherstellen muss, dass ihm genügend Hybrid-Power zur Verfügung steht, um seinen Speed zu optimieren. Zu wenig elektrische Energie könnte ihn an dieser Stelle anfällig für einen Angriff machen.
Zudem liegt diese Strecke höher als die meisten anderen. Durch den niedrigen Druck wird die Power Unit hier anders belastet. Das schlägt sich in der Gesamt-Effizienz nieder. Während die Höhenlage einen deutlichen Einfluss auf die Basis-Performance des Verbrennungsmotors hat, ist die elektrische Leistung davon nicht gleich betroffen. Umso stärker wiegt das Hybrid-Element der Power Unit hier und das lässt dem Hybrid-Arbeitszyklus eine umso wichtigere Rolle zukommen.
Auf einer typischen Runde in Spielberg sind die MGU-K und die MGU-H stark im Einsatz und erhöhen damit die ERS-Leistung. Aus diesem Grund werden die Batterien im Energie-Speicher heiß und müssen zusätzlich gekühlt werden. Hierbei ist es wichtig, zu wissen, dass jede Strecke eigene Anforderungen und Grenzen besitzt. Deshalb wird vor jedem Rennwochenende in Brackley und Brixworth so viel Arbeit in diesen Bereich gesteckt, um sicherzustellen, dass der Arbeitszyklus für den jeweiligen Grand Prix optimiert wurde.
Im Vorfeld des Österreich Grand Prix arbeitet nicht nur unser Team daran, den bestmöglichen Hybrid-Arbeitszyklus zu haben. In einem so engen Titelkampf, bei dem jedes noch so kleine Details einen entscheidenden Unterschied ausmachen kann, könnte nun vielleicht auch endlich der Hybrid-Arbeitszyklus eine Erwähnung im Fahrerlager erhalten…
Formel-1 Grand-Prix Österreich 2017
Toto Wolff über Österreich
Jede große Formel 1-Saison wird von einer großen Rivalität geprägt. Im vergangenen Jahr war es unser internes Duell zwischen Lewis und Nico. In diesem Jahr scheint es der Kampf zwischen Ferrari und Mercedes sowie Lewis und Sebastian zu sein. Es ging ruhig los, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Rivalität härter und umstrittener werden würde. In Baku war es dann soweit und wir erlebten das Ergebnis dieser Anspannung auf der Strecke.
Dieses Kapitel ist jetzt geschlossen und wir haben den Moment hinter uns gelassen. Die Anhörung am Montag war zwischen der FIA und Sebastian, und sie kam zu dem Ergebnis, das wir alle gesehen haben. Unser Hauptaugenmerk lag seit Baku auf unseren eigenen Schwächen. Wir haben sowohl das Design als auch die Abläufe rund um unsere Cockpitumrandung genau analysiert. Denn sie kostete Lewis vor zwei Wochen den Sieg.
Es herrscht großer Respekt zwischen Mercedes und Ferrari, zwei legendären Motorsportmarken – nicht nur wegen der Herausforderung auf der Strecke, sondern auch, weil wir ein gemeinsames Ziel verfolgen: Wir wollen die Formel 1 gedeihen sehen. Die neuen Besitzer hätten sich kaum einen besseren Start in die neue Ära wünschen können als dieses epische Duell zwischen Mercedes und Ferrari. Hinzu kommt ein Red Bull Team, das ebenfalls siegfähig ist, und schon ist die Formel 1 ein großartiges Spektakel.
Beim Verständnis wie wir die Leistung aus unserem Auto herausholen können, haben wir seit Monaco Fortschritte gemacht. Es ist immer noch schwierig, es auf den Punkt hinzubekommen. Aber es gelingt uns regelmäßiger. Ganz offenbar sind wir nicht das einzige Team, das Zeit gebraucht hat, um das Zusammenspiel der neuen Regeln und Reifen besser zu verstehen. Aber wir machen Schritt für Schritt Fortschritte. Und das müssen wir an den kommenden beiden Wochenenden auch so fortsetzen, wenn wir die bestmögliche Punkteausbeute einfahren wollen.
Es ist immer etwas Besonderes, nach Spielberg zurückzukehren, wo meine Wurzeln im Rennsport liegen. Als junger Rennfahrer bin ich meine ersten Runden auf dem alten Österreichring gefahren. Entsprechend wird mir diese Strecke immer am Herzen liegen. Seit diesen Tagen hat Dietrich Mateschitz beeindruckende Investitionen in die Anlage und die Region getätigt. Österreich darf stolz darauf sein, diese Weltklasse-Strecke sein Eigen nennen zu dürfen.
Erfreulicherweise war die Strecke in den vergangenen drei Jahren ein gutes Pflaster für Mercedes. Aber wir dürfen uns nicht auf unsere Erfolgsbilanz in Spielberg verlassen, denn das Reglement ist brandneu. Am Freitagvormittag beginnen wir wieder von vorne und unser Ziel ist es, im 1. Training gut aus den Startblöcken zu kommen. In einer so eng umkämpften Saison muss uns das auch gelingen, wenn wir am Ende des Jahres ganz oben stehen möchten.