Dimitrij Ovtcharov Interview German Open 2016

Noch hat es für Dimitrij Ovtcharov bei in Berlin stattfindenden German Open nicht zum Titel gereicht. Doch das soll sich in diesem Jahr ändern, so wie es ohnehin das Jahr des derzeit besten deutschen Tischtennis-Cracks werden soll. Im Interview spricht Ovtcharov über seine Liebe zu Berlin, seinen Angstgegner Ma Long und darüber, warum die Chinesen seinen Sport besser verstehen als alle anderen.

Frage: Schon über den Jahreswechsel waren Sie in Berlin. Wie gefällt Ihnen die Stadt und was bedeutet sie Ihnen?
Dimitrij Ovtcharov: Berlin ist eine meiner absoluten Lieblingsstädte in Deutschland, weil einfach für jeden etwas dabei ist. Es ist einfach eine unglaublich lebendige Stadt. Ich bin mindestens vier bis fünf Mal im Jahr in Berlin, da ich hier viele Freunde habe. Ich war sogar über Silvester mit meiner Frau Jenny, meinem Schwager und seiner Verlobten in Berlin.

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Frage: 2013 wurden die German Open in Berlin als „Best event of the year“ ausgezeichnet. Erzählen Sie doch mal, was Berlin ausmacht und warum man sich hier als Spieler besonders wohl fühlt.
Ovtcharov: Die German Open sind immer sehr, sehr gut organisiert. Sie gehören zu den Top-Events der World-Tour-Serie. Zudem hat Berlin als Hauptstadt einen besonderen Charme, wie ich gerade schon sagte. Deshalb sind Spieler, Offizielle, Trainer, Sponsoren immer gern da. Hotel und Halle liegen dicht beieinander, und in Berlin ist die Stimmung oft besser als in anderen Städten.

Frage: Im Vergleich zum vergangenen Jahr liegt der Termin der German Open deutlich früher im Jahr. Ist das für Ihre Planungen besser oder schlechter?
Ovtcharov: In Bezug auf die Team-WM und die Olympischen Spiele liegen die German Open dieses Jahr perfekt. Nicht zu früh im Januar, so dass wir schon vier Wochen hartes Training und einige Spiele in der Champions League hinter uns haben. Da können wir sehr gut sehen, wo wir vier Wochen vor der WM stehen.

Frage: In diesem Jahr steht natürlich alles im Zeichen der Olympischen Spiele. Welche Rolle spielen da die German Open und welche Relevanz haben sie?
Ovtcharov: Die German Open hier in Berlin sind auch nach kurzfristigen Absagen eines der am besten besetzten World-Tour-Turniere überhaupt. Von den Top 20 der Weltrangliste sind 17 Spieler da, 42 der Top 50. So etwas gibt es selten. Daher ist es ein Gradmesser, um zu sehen, wo man mit Blick auf Olympia steht. Wir sind sechs, sieben Monate vor den Spielen und da zählt jedes Ergebnis – auch für das Selbstvertrauen. Vor allem bekommt man gnadenlos aufgezeigt, wo man sich noch verbessern muss.

Frage: Welchen Gegner möchten Sie in diesem Jahr unbedingt schlagen und warum?
Ovtcharov: Die Top-Chinesen zu schlagen, ist immer etwas ganz besonderes. Da freue ich mich immer sehr, weil das eben nicht in jedem Turnier und schon gar nicht jedem Spieler gelingt. Außer Ma Long habe ich die Jungs alle schon besiegt. Über einen Sieg gegen Ma Long würde ich mich besonders freuen, aber den schlägt im Moment keiner. Er ist das Maß aller Dinge.

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Frage: Stellt sich die Frage einer Wachablösung Ovtcharov/Boll im deutschen Tischtennis für Sie noch oder ist das längst zu Ihren Gunsten entschieden?
Ovtcharov: Deutschland kann froh sein, zwei absolute Top-Spieler zu haben, die – vielleicht noch mit ein, zwei anderen Leuten nach den Chinesen – einen deutlichen Vorsprung vor vielen anderen Spielern haben. Ich bin jetzt seit gut zweieinhalb Jahren die Nummer eins der Europa-Rangliste und habe im letzten Jahr alle drei großen Events in Europa gewonnen, von den vergangenen sechs waren es fünf. Vielleicht bin ich in Europa momentan das Maß aller Dinge. Aber ganz ehrlich: Über Wachablösung hin oder her machen Timo und ich uns gar keine Gedanken, sondern versuchen gemeinsam, das Maximale zu erreichen. Das beste Training ist für uns, wenn wir gegeneinander spielen. Da ist das Niveau am höchsten, und wir verbessern uns am schnellsten.

Frage: Sie gelten nicht nur als sehr ehrgeizig, sondern auch als willensstark, strukturiert, bewusst. Was kann man eigentlich immer noch besser machen, wenn man schon so viele Jahre als Profi unterwegs ist?
Ovtcharov: Ich habe über die vielen Jahre auf der Tour eine Menge gelernt, hatte schöne Erfolge, aber auch harte Niederlagen. Aus allem muss man lernen und sich weiterentwickeln. Wenn man den Willen verliert, sich weiterzuentwickeln, dann verliert man ganz schnell den Anschluss an die Weltspitze.

Frage: Ganz ehrlich: Könnten Sie überhaupt einfach mal so in den Tag hineinleben?
Ovtcharov: Das mache ich an meinen freien Tagen wie an Weihnachten und Neujahr oder im Sommerurlaub. Aber das ist wirklich nicht allzu oft der Fall. Und wenn, dann bin ich so strukturiert, dass ich mir schon Gedanken mache, wie der nächste Tag auszusehen hat. Das Zeitmanagement ist bei Profisportlern einfach sehr, sehr wichtig.

Frage: Sie haben mal gesagt, die Chinesen verstünden Tischtennis besser als andere. Was genau meinten Sie damit?
Ovtcharov: Die Chinesen haben einen enorm großen Trainerstab, es dürften so um die 40 Trainer sein, die wichtige Positionen besetzen. Sie treffen sich mehrfach im Jahr, diskutieren, machen sich Gedanken und geben das an alle Spieler im Land weiter. Das Fachwissen ist dort einfach größer. Ganz junge Spieler und auch die älteren tauschen sich aus, besprechen Tischtennis, wie es aktuell ist, wie es früher war, wo es hinkommen kann. Sie machen sich einfach mehr Gedanken über den Sport, als vielleicht wir Europäer es tun.

Das Interview führte Thomas Bachmann.
Weitere Informationen zum Turnier finden Sie auf www.tischtennis.de