Boxer Thomas Piccirillo Interview – AGON Sports & Events

Profiboxer Thomas Piccirillo, 27, in Rimini geboren, ist ein Mann der weiß, wie man sich im Ring in Szene setzt, außerhalb überlässt er es lieber anderen. Das „Badmouthing“, die berüchtigten Verbal-Attacken, sind nicht sein Ding. Viel lieber arbeitet er abseits jeglichen Medienhypes und mit eisernem Willen an seiner Karriere.
Wem ist eigentlich aufgefallen, dass sich ein in Köln lebender Zahntechniker mit einer Doppelstaatsbürgerschaft aufmacht, dass deutsche Mittelgewicht aufzumischen? Vermutlich kaum jemanden.
AGON Sports & Events ist es nicht entgangen, denn im Juni 2020 bezwang er Adam Amkhadov einstimmig nach Punkten. Zwei Monate später boxte er gegen Vincenzo Gualtieri um die Deutsche Meisterschaft des BDB.
Dank eines knappen Unentschiedens konnte Titelträger Gualtieri seinen Gürtel behalten. Amkhadov und Gualtieri kämpfen für den Berliner Boxstall AGON. Dem war klar: Piccirillo ist ein ehrgeiziger Mittelgewichtler mit großer Begabung und noch größeren Ambitionen.
Man sicherte sich das Talent des bis dato wenig beachteten Deutsch-Italieners, der stolz den Bundesadler als Tattoo auf dem rechten Oberschenkel trägt.
Wer ist Thomas Piccirillo? Im Interview stand er Rede und Antwort.

Thomas, wie sind Sie zum Boxen, vor allem zum Profiboxen gekommen?
Irgendwann habe ich die Geschichte von Marvin Hagler gelesen. Da war es um mich geschehen. Ich wollte Boxer, ich wollte wie Marvin Hagler werden. 2010, mit 17, habe ich mich dann beim ASD Cattollica Boxe angemeldet. Das ist ein kleiner Verein etwas außerhalb von Rimini. Insgesamt habe ich 42 Kämpfe bestritten.
Bei einem Round Robin Turnier wurde ich für die italienische Nationalmannschaft aufgestellt. Ich kann mich noch gut an meinen Gegner, den Schweden Alexander Sund, erinnern, denn es war mein erster Kampf ohne Kopfschutz. Ich habe gewonnen. Man versprach mir, dass ich weitere Einsätze für die Nationalmannschaft bekäme. Leider blieb es beim Versprechen.
Dann habe ich gelesen, dass Deutschland für den Boxsport das neue Amerika sei. Ich wollte nach Deutschland. Meine Mama kommt aus Köln und hat dort Familie. Zuerst kam ich bei meinem Onkel unter. Ich nahm Deutschunterricht und meldete mich beim SC Colonia 06 an.
Für Colonia bestritt ich einige Kämpfe, bis mich mein Trainer mit aller Macht auf den russischen Stil umstellen wollte. Für mich war das gar nichts.
Ich wechselte zur „Kurzen Rippe“, einem unbeschreiblichen Club in der Kölner Altstadt. Hier habe ich auch Manfred Gebauer kennengelernt. Manne war von da an mein Trainer.
Ich besprach mit ihm meine Pläne, es irgendwann einmal Marvin Hagler gleich zu tun und Profi zu werden. Manne sagte, dass Berufsboxen etwas völlig anderes als Amateurboxen sei. Ich vertraute ihm und startete durch.

Wie kam es zum Vertrag mit AGON Sports & Events?
Ich denke mein Kampf gegen Adam Amkhadov war der Türöffner.
Manne kennt AGONs Matchmaker Hagen Döring und konnte ihn von meinen Leistungen überzeugen. Herr Döring setzte mich für AGONs letztjährigen Juni Event auf die Fightcard gegen Amkhadov. Wie immer wollten wir eine TOP Leistung präsentieren.
In dem Kampf habe ich alles rausgehauen was geht und trotzdem, ich habe nicht geglaubt, dass ich gewonnen hätte. Als Gastboxer bist du eben nur Gast. Manchmal ist ein Kampfgericht gewogen, dem Heimboxer ein paar Bonuspunkte zu spendieren. Bis zum Schluss tippte ich auf ein Unentschieden. Doch das Kampfgericht sah mich vorn, sogar einstimmig.
Dann bot AGON uns an, gegen Vincenzo Gualtieri um die Deutsche Meisterschaft anzutreten. Wenn die Leistung stimmen würde, dann könnte man sich über eine gemeinsame Zukunft unterhalten. Was für ein Angebot!
Natürlich sagten wir zu. Ende August war es dann soweit. Beim nächsten AGON Event stand ich wieder im Ring. Diesmal gegen Vincenzo Gualtieri.
Vincenzo ist hochaufgeschossen. Deshalb konnten wir nicht wie gegen Adam nach vorn gehen und Druck machen. Unsere Strategie war anders: Kontrolliert angreifen, Gegenangriffe meiden, klug kontern, ihn also klassisch ausboxen. Bis zum Schlussgong hatte ich geglaubt, dass mir das gelungen wäre.
Ich war völlig baff, als nur ein Unentschieden heraussprang. Trotzdem muss ich Herrn Volckmann (AGON CEO) und das AGON-Management überzeugt haben, denn ich bekam einen Vertrag angeboten. Als ich den dann in den Händen hielt, da war ich einfach nur glücklich. Lange hatten wir darauf hingearbeitet, einen Promotor an der Seite zu haben, der mich bei meiner sportlichen Karriere unterstützen würde. Dass es dann auch noch AGON wurde, das war einfach nur wunderbar.

Sie sprechen auffällig oft von „Wir“
Wir, dass sind meine Mutter, die 14 Tage vor meinen Fights aus Rimini kommt und mich von allem abschirmt, was meine Vorbereitung stören könnte. Sie achtet auch darauf, dass ich mich richtig ernähre. Ohne meine Mutter wäre mein Traum vom Profiboxen ziemlich schnell geplatzt.
Sie war es auch, die mich regelrecht zur Lehre als Zahntechniker zwang. Ihr war es wichtig, dass ich einen Beruf habe, falls es mit dem Sport nicht klappen würde. Natürlich verdient man in der Lehre nicht viel. Deshalb war sie während meiner Ausbildung hier in Köln und arbeitete als Sprachlehrerin, nur um mich finanziell unterstützen zu können. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Zum „Wir“ gehört selbstverständlich auch mein Trainer Manfred Gebauer. Manne war als Aktiver international äußerst erfolgreich, nahm an den olympischen Spielen teil, war EM-Dritter und gewann zweimal den Chemiepokal. Manne ist die Herzlichkeit in Person und ein Meister der Taktik und Technik. Er bereitet mich erstklassig auf meine Kämpfe vor.

Ende Februar traten Sie im Kampf um den von Gualtieri niedergelegten DM-Titel erneut gegen Amkhadov an und knockten ihn in der Neunten aus.
Das stimmt. Wir haben Adam besiegt und ich bin seitdem der neue Deutsche Meister des BDB im Mittelgewicht. Eine riesige Ehre für mich.
Und ja, Adam ging KO. Obwohl ich diesmal aus der AGON-Ecke startete, fühlte ich mich wieder wie der Gastboxer.
Wer in der Halle oder am TV wusste eigentlich, dass ich zum AGON-Team gehörte? So gut wie keiner.
Ich wollte unbedingt vermeiden, dass mein Schicksal in den Händen der Punktrichter liegt und bei einem KO braucht man kein Punktgericht.

Sie trainieren jetzt in Opladen?
Manne ist zu „No Limit Boxing“ nach Opladen gewechselt. Da ich bei ihm bleiben wollte, folgte ich ihm.

Mit ihrer Frau Sarah haben Sie einen kleinen Sohn
Unseren Marvin. Der hält uns ordentlich auf Trab. Wer der Namensgeber für den Kleinen ist, brauche ich wohl nicht mehr zu sagen, oder? (Thomas lacht)
Sarah habe ich übrigens in der „Kurzen Rippe“ kennen und lieben gelernt. Richtig gefunkt hat es, als wir beide gemeinsam im Sparringsring standen. Im Dezember 2019 haben wir geheiratet. Sarah ist die Tochter von Rolf Worthoff, dem Eigentümer der „Kurzen Rippe“.

Was möchten Sie im Profisport erreichen?
Ich möchte irgendwann einmal vom Boxen leben können. Dafür werden wir mit AGON meinen Karriereweg festlegen, sicherlich mit dem Ziel, irgendwann um einen großen Titel zu kämpfen. Ob ich den gewinne, das wird sich dann zeigen. Aber ich verspreche, ich werde alles dafür geben.

Gibt es jemanden, gegen den Sie unbedingt einmal antreten möchten?
Auf alle Fälle gegen Matteo Signani. Mit ihm habe ich zu meinen Amateurzeiten viel Sparring gemacht. Er ist ein großartiger Mensch und der amtierende Europameister der EBU im Mittelgewicht. Ich wünschte, ich könnte gegen ihn um seinen Titel kämpfen. Das müsste aber schon bald geschehen, denn Matteo ist 41 Jahre alt und ich kann mir vorstellen, dass er sich schon bald aus dem Boxsport zurückziehen möchte.

Für welche Ereignisse in ihrem Leben sind Sie besonders dankbar?
Ich bin dankbar für die Geburt meines Sohnes Marvin, für Sarah, die Hochzeit mit ihr und dem leckeren Essen danach.

Worüber könnten Sie ohne Pause 30 Minuten reden?
Natürlich über das Boxen. Und über Kaffee. Ich liebe guten Kaffee.

Haben Sie schon einmal großen Mist gebaut?
Ich glaube nicht, aber wenn Sie das meine Mutter fragen würden, dann war es großer Mist, dass ich mir ein Motorrad mit 150 PS gekauft habe.

Vielen Dank für das Gespräch Thomas