RTL Experte Nico Rosberg Interview über Formel 1 Saison 2018

RTL-Experte Nico Rosberg im großen Saisonausblick-Interview

RTL Experte Nico Rosberg Interview über Formel 1 Saison 2018

Nico Rosberg, sprechen wir zunächst über Ihren neuen Job als RTL-Experte. Was haben Sie sich da vorgenommen?
„Ich habe den Vorteil, dass ich gerade noch selbst in so einem Auto saß und all die Jungs kenne, die da jetzt mitfahren. Ich hoffe, dass ich die Zuschauer sehr nah heranbringen kann an all das, was einem im Cockpit so durch den Kopf geht, wie es sich z. B. anfühlt, in die Zweikämpfe zu gehen. Und natürlich habe ich ein sehr starkes Wissen über diesen Sport, von dem auch die Zuschauer profitieren können.“

Sie und Lewis Hamilton waren dicke Freunde, dann Teamgefährten und Rivalen, nun werden Sie seinen Job im Cockpit analysieren. Muss sich der Brite jetzt besonders warm anziehen?
„Es muss sich keiner warm anziehen. Ich werde das sagen, was ich sehe und denke, zu jedem. Und natürlich wird sich vieles um Lewis drehen, weil er mit Sicherheit wieder vorne um die Meisterschaft kämpft. Und da wird’s mit Sicherheit viele Sachen geben, die man dann kommentieren muss, aber immer sehr neutral. Ich habe nach wie vor großen Respekt vor dem, was er leistet und das ist absolut höchstes Level. Ich bin auch nicht nachtragend und wir verstehen uns eigentlich wieder ganz okay. Vielleicht können wir auch fast wieder Freunde werden, da hätte ich nichts gegen mit der Zeit.“

Als Ihr Vorgänger Niki Lauda Aufsichtsratsvorsitzender bei Mercedes wurde, gab es Skeptiker, die gesagt haben, das vereinbart sich nicht mit dem Job eines RTL-Experten. Wie neutral sind Sie als ehemaliger Mercedes-Pilot?
„Ich bin Mercedes mega dankbar für alles, das Team liegt mir auch sehr nahe. Aber für meinen Job als Experte lege ich sehr viel Wert darauf, dass ich absolut neutral bin. Als Fahrer waren die Medien eine Herausforderung, ein Teil von dem, was du als Fahrer meistern musst, um zu gewinnen. Jetzt bin ich auf der anderen Seite und will coole Insights liefern und gute Analysen machen. Das ist ganz anders, aber auch schön.“

Die Ex-Formel-1-Piloten Nico Rosberg (l.) und Timo Glock sind die neuen RTL-Experten.

Die RTL-Experten Nico Rosberg (l.) und Timo Glock.
Foto: MG RTL D / Robert Grischek

Frage also an den Experten: Was halten Sie von dem neuen Cockpitschutz Halo?
„Ich verstehe, dass das für Motorsportpuristen blöd aussieht. Aber der Kopf ist nun mal sehr gefährdet im offenen Cockpit, da hat es in den letzten Jahren einige sehr folgenschwere Unfälle gegeben. Deshalb ist der Kopfschutzbügel, wo er nun mal entwickelt ist, für die Fahrer eine gute Sache und geht in die richtige Richtung. Mir selbst wäre es als Fahrer sehr recht gewesen, das Halo zu haben.“

Die Anzahl der erlaubten Antriebskontingente ist auf 3 geschrumpft. Die Autos müssen absolut zuverlässig sein, sonst drohen Strafen. Entscheiden nun die zu erwartenden Strafversetzungen die WM?
„Ich weiß nicht, ob das in die richtige Richtung geht. Die Entwicklung von Motoren, die noch mal länger laufen müssen, hat viel Geld verschlungen. Das Problem sind tatsächlich die ganzen Strafversetzungen, wenn man eben doch nicht mit den vorgeschriebenen Kontingenten auskommt. Das ist unschön und kann sehr viel Chaos verursachen.“

Die Auswahl an Trockenreifen wurde auf 7 erhöht – das soll die Renndramaturgie im Sinne von mehr Spannung und Taktik beeinflussen. Ihr Kommentar?
„Wir wissen, dass es mit zunehmendem Reifenverschleiß immer Spannung auf der Strecke gibt. Und das wollen wir letztendlich ja alle sehen. Aber ich finde, mit sieben Mischungen hat man sich ein bisschen verrannt. Das ist für die Zuschauer eine sehr schlechte Entwicklung, weil man bei all den Reifen überhaupt nicht mehr durchblicken kann. Selbst ich als absoluter Experte werde da wohl manchmal den Überblick verlieren, weil es durch die vielen Farben viel zu kompliziert wird. Dabei gibt es so einfache Lösungen: An jedem Rennwochenende gibt es je einen Soft-, Medium- und einen Hartreifen – das war’s.“

Eine weitere Veränderung sind die Startzeiten. Die sind bei vielen Rennen um eine gute Stunde nach hinten verschoben worden. Welche Vorteile hat das?
„Das wird sich zeigen. Bis jetzt war der Start zur vollen Stunde um 14.00 Uhr, demnächst geht es bei den meisten europäischen Rennen um 15.10 Uhr los, das ist natürlich auf den ersten Blick ein bisschen komisch. Aber wir haben um diese spätere Zeit mehr Fernsehzuschauer und das ist gut für unseren Sport.“

Die Grid Girls sollen verschwinden und durch Grid Kids ersetzt werden. Eine gute Idee?
„Zunächst fand ich das etwas komisch, aber die Idee mit den Grid Kids gefällt mir doch, denn vielleicht gibt das auch wieder so einen kleinen Impuls für andere Jugendliche, sich für den Sport zu interessieren.“

Wie haben Sie selbst die Grid Girls überhaupt wahrgenommen?
„Die gehörten einfach zur Formel 1 dazu und ich habe mich mit den Mädels im Grid-Bereich immer recht wohl gefühlt. Aber mitbekommen habe ich von den Grid Girls so gut wie nichts. Bei der Startvorstellung war ich als Fahrer so fokussiert, dass die Grid Girls wirklich das Letzte waren, was ich mir angeschaut habe.“

Liberty Media ist seit einem Jahr Eigentümer der Formel 1 und hat seither vieles angeschoben. Wie schätzen Sie deren Arbeit ein?
„Liberty hat vieles richtig gemacht, auch wenn sie natürlich ein bisschen Zeit gebraucht haben, um den Sport richtig zu verstehen. Aber auch Liberty sind Grenzen gesetzt, denn die Teams haben sehr viel Macht. Es ist immer schwierig, zeitnah große Änderungen vorzunehmen. Die Regeln sind festgefroren, man muss immer warten, bis die Regelvereinbarungen verjährt sind. Jedes Team arbeitet für seinen Erfolg und will beim nächsten Rennen gewinnen. Keiner denkt ans große Ganze, an unseren Sport. Da kämpft jeder für seine Vorteile und deswegen ist es sehr schwierig, alle zusammenzubringen. Und das ist leider schon immer so gewesen in unserem Sport. Aber mit Blick auf die Zukunft bin ich bei dem Elan von Liberty ganz optimistisch.“

Was würden Sie vor allem ändern wollen, wenn Sie ein Verantwortlicher in der Formel 1 wären?
„Es müssen unbedingt bessere Voraussetzungen zum Überholen geschaffen werden, denn das macht die Formel 1 ja so spektakulär. Das größte Problem dabei ist die Aerodynamik an den Autos. Wir haben im letzten Jahr sogar einen Schritt zurück gemacht, weil die Aerodynamik noch extremer, noch sensibler geworden ist. Das macht es so schwierig, einem anderen hinterher zu fahren. Die Turbulenzen hinter dem vorausfahrenden Auto sind so extrem, dass die Balance deines Autos in diesen Turbulenzen nicht richtig funktioniert. Du verlierst Haftung und kannst wieder nicht aufschließen. Da würde ich mir Verbesserungen wünschen, aber ich weiß auch, dass das sehr komplex ist.“

Welche Rückschlüsse haben Sie aus den Testfahrten der vergangenen Wochen ziehen können?
„Ein Vergleich ist nicht so leicht, weil die Teams unterschiedliche Ansätze bei den Sessions hatten. Generell hat Mercedes – anders als Ferrari – den Sprit nicht herausgenommen. Deshalb konnte Sebastian Vettel im Ferrari zwar mit wenig Sprit an Bord die schnellste Runde fahren, aber in den long runs war Mercedes manchmal sogar mit Abstand am stärksten. Ich hoffe zwar, dass Ferrari und Red Bull wieder näher an Mercedes herankommen, aber es wird schwer. Mercedes ist eine absolute Macht, deren Level ist unglaublich beeindruckend.“

Mercedes-Chef Toto Wolff hat kürzlich behauptet, der Entwicklungsvorsprung seines Teams sei durch die vielen Reglementierungen verbraucht, er erwarte daher einen Dreikampf mit Ferrari und Red Bull auf Augenhöhe. Was ist von der Aussage zu halten?
„Die Teams achten so kurz vor einer Saison sehr stark darauf, den Hauptkonkurrenten keine Motivation für Nachbesserungen zu geben. Deshalb hat Mercedes bei den Testfahrten auch keinen Sprit aus dem Tank genommen. Würde Ferrari z. B. sehen, dass Mercedes mit wenig Sprit auf einer schnellen Runde Zweizehntel schneller unterwegs ist, würde das in der Fabrik in Maranello einen starken Motivationsschub auslösen, weil man nur auf Zeiten fixiert ist. So hat Ferrari derzeit die Nase vorn und man ist etwas entspannter. Diese Strategie, die Karten nicht offen hinzulegen, ist bei Mercedes sehr wichtig, weil den Teams wie Ferrari und Red Bull so ein wenig der Elan genommen wird. So darf man auch die Äußerung von Toto Wolff verstehen.“

Wer hat die Favoritenrolle beim Australien GP?
„Ich denke, Mercedes ist das Team, was zu schlagen ist momentan. Deshalb setzte ich im Moment auch auf einen Sieg von Lewis Hamilton. Ich glaube aber, dass Valtteri Bottas seinen Teamkollegen in diesem Jahr mehr unter Druck setzen kann. Ich würde nicht ausschließen, dass es auch zwischen den beiden Mercedes-Piloten ein sehr spannendes Duell geben wird, denn Bottas hatte zuletzt richtig starke Phasen.“

Bottas‘ Vertrag bei Mercedes läuft aus, er würde gerne verlängern. Hat er gute Karten im Vertragspoker?
„Mercedes wird sich Zeit lassen, vielleicht sogar bis zum Sommer. Bottas macht einen guten Job für das Team, aber es hängt eben auch ab davon, wie Lewis Hamilton in diesem Jahr performt und welche Rolle Bottas da zukommt. Und natürlich gibt es auch andere interessante Fahrer wie z. B. Daniel Ricciardo, die auf den Markt kommen. Da muss man abwarten.“

Es gab Zeiten, da gab es sieben deutsche Fahrer im Fahrerfeld der Formel 1 – nun sind es nach Ihrem Rücktritt 2016 und dem Aus für Pascal Wehrlein nur noch zwei. Wie erklären Sie sich das?
„Ich denke, es ist normal, dass es auf und ab geht. Schade ist, dass wir derzeit in der Jugend keine offensichtlichen Aspiranten haben, die auf jeden Fall in die Formel 1 kommen werden. Aber das wichtigste ist ja, dass Sebastian da ist. Sebastian kann um Rennsiege und den WM-Titel kämpfen. Und auch Nico Hülkenberg wird mit Sicherheit in dieser Saison auch weiter nach vorne kommen.“