Bundeskanzlerin Angela Merkel Interview über SPD, Jens Spahn und Innere Sicherheit

Im Anschluss an den heutigen CDU-Parteitag in Berlin hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im „RTL Aktuell“-Interview mit Lothar Keller wie folgt geäußert:

Bundeskanzlerin Angela Merkel zum klaren Votum ihrer Partei zur Großen Koalition und die Haltung der SPD.

Bundeskanzlerin Angela Merkel Interview über SPD, Jens Spahn und Innere Sicherheit

Kanzlerkandidaten Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) beim TV Duell.

Foto: RTL

„Ich glaube einfach, dass für uns die Übereinstimmung zwischen dem, was wir im Koalitionsvertrag erreicht haben und dem, was wir uns im Regierungsprogramm vorgenommen hatten, groß genug ist, damit wir aus voller Überzeugung sagen können, wir wollen diese Regierungsarbeit vornehmen. Es hat ja hier heute auch durchaus kritische Anmerkungen gegeben, es haben Menschen auch etwas vermisst. Es war klar, wir mussten auch Kompromisse machen. Und jetzt kann ich zur SPD nur sagen, ich hoffe einfach, dass auch viele SPD-Mitglieder die Verantwortung verspüren, dass Deutschland eine gute Regierung braucht. Und ich denke, wir können gemeinsam in dieser Regierung auch für Deutschland und die Menschen in Deutschland viel erreichen.“

…über den Druck, auch jüngere und konservativere Kräfte zukünftig einzubinden:

„Das Wahlergebnis hat uns ja allen Aufgaben aufgegeben, das habe ich heute in meiner Rede ja auch gesagt. Auch ich war ja nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Wir haben eine harte Zeit hinter uns gehabt. Natürlich hat auch die Ankunft so vieler Flüchtlinge viele Fragen aufgeworfen. Trotzdem haben wir uns ja entschieden in die Regierungsarbeit einzutreten. Klar ist auch, das muss natürlich auch eine gewisse Verjüngung geben, es braucht neue Gesichter. Wir regieren jetzt zwölf Jahre und da sagen die Menschen auch, wir wollen Kräfte, die bisher noch nicht die Verantwortung getragen haben. Und da geht es auch nicht nur um konservativ, da geht es darum, wie werden die Wurzeln der CDU, christlich-sozial, liberal und konservativ, wiedergespiegelt. Und ich glaube Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Generalsekretärin hat heute auch deutlich gemacht, worum es uns geht. Es ist letztlich das christliche Menschenbild, was vielleicht für die vielen Menschen, die nicht dem Christentum verbunden sind, auch einfach nur bedeutet, dass jeder Mensch seine Würde hat, seine Individualität, seine Personalität und sich verwirklichen soll. Und der Staat hilft da, wo Unterstützung nötig ist.“

…über Jens Spahn als zukünftigen Gesundheitsminister und die Frage, ob so ein unangenehmer Kritiker am Kabinettstisch diszipliniert würde:

„Nein, er gehört doch erkennbar zu den talentierten, jüngeren Politikern. Er ist, obwohl er noch so jung ist, seit vielen Jahren schon politisch erfahren. Er hat Expertise, gerade in dem Gesundheitsbereich, aber auch in vielen anderen Bereichen. Talente müssen wir nutzen und da haben wir etliche, auch unter den jungen Ministerpräsidenten. Ich finde, die Diskussion hat heute gezeigt, wenn man auch nochmal überlegt, dass die CDU, was Persönlichkeiten anbelangt, wirklich gut aufgestellt ist.“ …über die Entscheidung sich von alten Gefährten wie Thomas de Maizière und Hermann Gröhe zu trennen: „Ja, das gehört zu den wirklich schwierigen Entscheidungen, die sie als Parteivorsitzende oder Bundeskanzlerin fällen müssen. Alle kommen und sagen, es müssen neue Gesichter da sein und alle schätzen auch die Arbeit derer, die bisher Verantwortung getragen haben. Und mit Thomas de Maizière und Hermann Gröhe treten wirklich zwei sehr treue und erfolgreiche Weggefährten jetzt an die Seite. Ich glaube, wir werden ihren Rat und ihre Tat auch auf verschiedene Art und Weise noch brauchen. Aber das macht dann weniger Freude, muss ich ganz ehrlich sagen, und ist auch für mich ein Stück weit traurig.“

…über den staatlichen Finanzüberschuss von 36 Milliarden und das Thema Armut in einem reichen Land wie Deutschland:

„Es rüttelt uns jedenfalls auf. Erst einmal ist der Überschuss nicht nur ein Überschuss des Bundes, sondern glücklicherweise der Länder und Kommunen auch. Zweitens haben wir ja auch gerade für mehr Gerechtigkeit einiges getan im Koalitionsvertrag. Und ich denke, dass es gerade auch Familien mit Kindern zum Beispiel sehr helfen wird, wenn der Kinderzuschlag verbessert wird, Kinder auch wieder mehr Kindergeld bekommen. Und wir sehen auch, dass natürlich Ehrenamt da immer noch gefragt ist. Deshalb heißt die Aufgabe auch, möglichst viele Menschen in Arbeit bringen. Denn wer Arbeit hat, ist nicht so von Armut bedroht, insbesondere seitdem wir den Mindestlohn haben. Und das ist deshalb richtig, dass wir in unserem Programm auch sagen, wir wollen Vollbeschäftigung und möglichst jedem die Chance geben, sich im Arbeitsleben auch zu bewähren.“

…über die Situation der Essener Tafel, wo die Verantwortlichen über die Verteilung an deutsche Arme und ausländische Arme entscheiden müssen:

„Ich glaube, da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut, aber es zeigt auch den Druck, den es gibt und wie viele Menschen dieses Bedürfnis verspüren und deshalb hoffe ich, dass man da auch gute Lösungen findet, die nicht Gruppen ausschließen, aber es zeigt eben auch, wie viele Menschen auf so etwas angewiesen sind.“ …über die Versäumnisse der Volksparteien in den vergangenen Jahren und wofür sie in der letzten Bundestagswahl die demokratische ‚Quittung‘ bekommen haben: „Naja, wir haben auch schwere Herausforderungen vor uns gehabt. Ich meine, wir kommen aus einer Zeit mit einer Krise des Euros, einer Weltfinanzkrise, und wir hatten dann die Herausforderung durch die Bürgerkriege im Irak und Syrien, das hat uns alle sehr beansprucht. Das hat von uns erfordert, dass wir auch ganz ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen mussten.“ …

über die Innenpolitik, die dadurch möglicherweise zu kurz kam:

„Sie kam nicht zu kurz, aber das muss jetzt in der Diskussion wieder aufgearbeitet werden. Ich glaube, das ist wichtig und richtig und die Menschen spüren doch, dass sich so viel auf der Welt ändert. Auch durch die Digitalisierung und durch die Globalisierung. Und sie fragen sich, wo bleibe ich? Was wird mit meinen ländlichen Räumen? Wie geht es mit der Miete in der Stadt? Wie werde ich mal, wenn ich alt und krank, bin leben? Was wird aus meinen Kindern? Und auf diese Fragen müssen wir als Volksparteien Antworten finden und deshalb steht jetzt ein Prozess intensiver Diskussion an.“ …

über das Thema Innere Sicherheit und dessen Dringlichkeit:

„Das ist von mir immer schon ein Punkt, dass Innere Sicherheit die staatliche Aufgabe ist. Der Staat hat das Gewaltenmonopol, der Staat muss sicherstellen, dass Menschen, wann immer sie sich im öffentlichen Raum begegnen und bewegen, sie das Recht darauf haben. Das gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben. Wir haben bereits in unserem letzten Grundsatzprogramm nicht Freiheit und Verantwortung gesagt, sondern Freiheit und Sicherheit. Weil wir wissen, Freiheit kann nur gelebt werden, wenn Sicherheit auch gewährleistet ist. Also das ist ein Thema, das uns lange schon umtreibt, aber das sicherlich heute eine sehr, sehr hohe Dringlichkeit hat.“

…über ihre Vorstellung von „Null Toleranz“ in diesem Kontext:

„Das heißt, dass es zum Beispiel keine No-Go-Areas gibt. Dass es keine Räume geben kann, wo sich niemand hin traut. Und solche Räume gibt es und das muss man dann auch beim Namen nennen und man muss etwas dagegen tun. Und ich finde, dass Thomas de Maizière das als Innenminister sehr, sehr gut gemacht hat. Wir haben aber jetzt auch gesagt, wir wollen ein Muster-Polizeigesetz. Wir können nicht zusehen, dass in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Sicherheitsstandards sind und das muss möglichst vereinheitlicht werden.“

…über Annegret Kramp-Karrenbauer, die jetzt an einem neuen Grundsatzprogramm für die Partei arbeiten soll und die Frage,ob sie, Angela Merkel, als Parteivorsitzende in den letzten Jahren versäumt habe, die Partei stärker einzubinden:

„Wir haben 2007 ein Grundsatzprogramm fertiggestellt. Das war damals auch ein sehr intensiver Prozess, aber die Welt hat sich sehr schnell verändert. Und ich glaube, dass das eine sehr wichtige Arbeitsteilung sein kann. Die Regierung in solchen unruhigen Zeiten erfordert sehr viel Kraft, ich als Parteivorsitzende werden diesen Prozess natürlich auch begleiten, aber eine starke Generalsekretärin dabei zu haben, die zuhört, die aufnimmt, die Dinge steuert und vorantreibt, das erfreut mich sehr. Ich bin sehr glücklich, dass Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt die neue Generalsekretärin ist. “

…über ihre Aussage vier Jahre Kanzlerin und Parteivorsitzende bleiben zu wollen und den möglichen Nachteil ihres Nachfolgers dann nicht aus einem Parteiamt oder aus dem Kanzleramt zu starten:

„Ich habe das gesagt, was ich gesagt habe und davon rücke ich jetzt auch nicht ab. Und habe auch nicht die Absicht abzurücken. Ich glaube, so wie wir jetzt heute hier einen wunderbaren Parteitag hinbekommen haben, so werden wir auch in Zukunft alle Fragen, die sich stellen, gut lösen. Heute haben wir erstmal eine neue Generalsekretärin und das freut mich.“

Das vollständige Interview sehen Sie heute Abend um 0:00 Uhr im „RTL Nachtjournal“.